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GEMEINSAME ERÖFFNUNG Donnerstag, 10. Juli 2008, ab 19 Uhr

MARKUS DEGERMAN experimentiert in seinen Arbeiten mit Architektur- und Designelementen in verschiedenen räumlichen Umgebungen und bearbeitet mit seinen Interventionen den öffentlichen, urbanen oder institutionellen Raum. Durch Veränderungen oder Hinzufügungen in diesen Environments lenkt er die Aufmerkamkeit auf die sozialen und politischen Implikationen, die in die Architektur des Raumes eingeschrieben sind.

Für seine Installation No matter how hard you work... in Studio 3 hat Markus Degerman drei unterschiedliche architektonische Elemente aus verschiedenen Environments annähernd in Originalgröße nachgebaut und in Form von skulpturalen Objekten im Ausstellungsraum platziert: eine U-förmige Metallgitter-Rampe umläuft als begehbare Skulptur die beiden Säulen in der Mitte des Raumes. Ähnliche Rampen finden sich gemeinhin als nachträglich angebaute, funktionale Strukturen an öffentlichen Gebäuden, um z.B. Rollstuhlfahrern den Zugang zu ermöglichen.

Mit einem Rundbogendurchgang in einer rauhfasertapezierten Wand verweist Degerman auf ein beliebtes Designelement der 1980er Jahre, das heutzutage vor allem an kitschbeladene Pizzerien im Grotten-Stil denken lässt. Herausgelöst aus diesem gedanklichen Kontext wirkt das Torbogenelement in Degermans Installation hingegen wie ein cooles funktionales Design-Objekt. Eine dritte Komponente der Ausstellung sind Sprossenelemente für Fenster, gefertigt aus verschiedenen, in bestimmten Perioden ‘trendigen’ Holzarten. Waren sie einst Symbol für stilbewusstes Wohnen im Altbau, sind auch sie zwischenzeitlich als Plastikattrappen zum Aufkleben auf Neubaub. fenster zu haben und damit in den Bereich des schlechten Geschmacks gerückt: ‘gutes’ Design gibt sich nach heutiger Auffassung schnörkellos und meidet kleinteilige Flächen.

Mit seinen stilistischen Beispielen will Markus Degerman das Augenmerk des Betrachters darauf lenken, dass Architektur und Design stets in Wechselbeziehung mit den politischen und gesellschaftlichen Diskursen stehen, und daher wie diese permanenter Diskussion und Wandel unterliegen. Wie zahlreiche Arbeiten Degermans ist auch No matter how hard you work... darauf angelegt, das Potenzial für unterschiedliche Herangehensweisen an Begriffe wie etwa ‘Qualität’ oder ‘Wert’ innerhalb eines spezifischen ästhetischen und politischen Kontexts auszuloten. Markus Degerman geboren 1972 in Stockholm, Schweden, lebt in Stockholm und Berlin. Er studierte Bildhauerei am Konstfack University College of Arts, Craft and Design, Stockholm und am University College of Fine Arts, Umeå (MFA) sowie Architektur am Royal University College of Fine Arts, Stockholm. Ausstellungen u.a.: Undersöka Form, Stockholm 2008; Home Cinema, Maribel López Galerie Berlin 2008; Multiple Choices, Oslo Kunstforening 2008; E x t e r i o r s, CCA, Kiev 2007. Mit dem Künstler Jonas Nobel, dem Architekten Fredrik Stenberg und dem Designer Andreas Nobel arbeitet Degerman außerdem im Rahmen der Gruppe Uglycute zusammen. Derzeit ist Markus Degerman als Stipendiat des International Artists Studio Program in Sweden (IASPIS), Stockholm im Künstlerhaus Bethanien zu Gast.

ULRICH POLSTER , geboren 1963 in Frankenberg (DDR), lebt und arbeitet in Leipzig. Polster war in den 1980er Jahren aktiver Protagonist der Underground-Filmszene in Leipzig und Berlin und entwickelt seit 1987 kontinuierlich seine Multimediacollagen und -installationen.

ZAUM MATERIAL II ist die Weiterentwicklung der Multimediainstallation ZAUM MATERIAL, die 2007 in der Galerie Jocelyn Wolff in Paris gezeigt wurde. Der Soundtrack für die Installation entstand in Zusammenarbeit mit der Künstlerin CHRISTINE SCHERRER.

ZAUM MATERIAL II ist eine 10-Kanal-Video/Soundinstallation, die sich in 3 x 3 Bildräume und eine Projektion gliedert. Die einzelnen Bildräume orientieren sich dabei am klassischen Format des Triptychons, das hier eine digitale Umsetzung erfährt. Das Werk erscheint als Choreographie von Versatzstücken und Fragmenten zur Unbestimmbarkeit von Erinnerung – so z.B. die Zerstörung von Orten des kollektiven Gedächtnisses oder das Verwischen individueller Erinnerungen. Formal nähert sich die Installation an die Kunstform der Oper an. Die Vi d e o s e q u e nzen ergeben im Zusammenspiel mit dem Sound Spiegelbilder der Ambivalenz menschlicher Empfindungen u n d des kaum erfassbaren Moments, an dem sie kippen, sich ins Gegenteil verkehren und emotionale Abründe sich auftun. So wird die Schönheit des Visuellen durch das Akustische gebrochen, durch opulenten Sound von Streichern dramatisch unterlegt oder durch Geräusche gestört. Die Bewegung zwischen Bildfragmenten und Klangteilen bringt in der Ikonographie der einzelnen Elemente eine immer andere Bedeutung, die entfesselten Bilder werden ‘im Zaum’ gehalten und der Sound nahezu physisch erlebbar gemacht. Die Art wie Polster emotionale Isolation , die Suche nach Gemeinschaft und gesellschaftlicher Teilhabe angesichts des Verfalls sozialer Institutionen inszeniert, macht ZAUM MATERIAL II zu einer konfliktvollen ästhetischen Erfahrung, weist aber auch auf die Schönheit des Erinnerns hin.