press release only in german

Wir freuen uns, die erste Einzelausstellung des in Los Angeles lebenden Künstlers Mario Ybarra Jr. (1973) mit dem Titel „Scarface Museum...For All I Know He Had My Friend Angel Killed“ in Europa zu zeigen. Der Künstler hat u.a. durch seine Einzelausstellung im CCA Wattis Institute for Contemporary Arts, San Francisco sowie durch Ausstellungsbeteiligungen an der diesjährigen Whitney Biennial, New York, an der Prague Biennale 3 und in der Serpentine Gallery, London breite internationale Anerkennung erfahren. Ybarras mexikanische Wurzeln fliessen in seine Auseinandersetzung mit den Phänomenen zeitgenössischer Kunst, Street Culture und sozialer Realität ein. Als Künstler, der „a fresh perspective on the fusion of cultures, practices, and aesthetics“ eröffnet, gehört er zu einer neuen Generation von Chicanos, die ihre Identität und Herkunft nicht mehr vor dem Hintergrund sozialer Ausgrenzung befragen. Vielmehr appropriiert und parodiert Ybarra die vielfach als hegemonial verstandene amerikanische Mainstreamkultur. Dabei lässt er Populär- und Hochkultur zu kritisch-ironischen Installationen verschmelzen. In der Nähe des Hafens von Los Angeles aufgewachsen wurde Ybarra bereits früh mit den politischen Aktionen der Dockarbeiter, deren Paraden und Insignien vertraut. Seitdem analysiert er mit anthropologischem Gespür die soziokulturellen Merkmale seines Umfeldes. Dabei versteht er Zeichen, Bilder, Sprache, Kleidung und Habitus als Bedeutungsträger der Alltagskultur. So verwandelte er in Los Angeles’ Chinatown einen Barbershop in einen Kunstraum, in dem verschiedene Aktionen, Performances und Ausstellungen lokaler Künstler und Randgruppen stattfinden. Dieser Barbershop wurde originalgetreu in der Tate Modern, London anlässlich der Ausstellung „The World as a Stage“ nachgebaut. Im institutionellen Rahmen überführte Ybarra den Barbershop in seine ursprüngliche Funktion, indem er einen Friseurwettbewerb veranstaltete. Gleichzeitig fungierte der Barbershop als Plattform für Diskussionen, politische Aktionen und Reflexionen zu Aspekten kultureller Identität. Die in unserer Ausstellung gezeigte Installation „Scarface Museum...For All I Know He Had My Friend Angel Killed“ wurde erstmals an der Whitney Biennial, New York präsentiert und vereinigt Memorabilien und Devotionalien zu Brian De Palmas Film „Scarface“. Die in Vitrinen platzierten Objekte stammen aus der Sammlung von Ybarras Freund Angel Montes Jr., der als Drogenabhängiger in die Kriminalität abrutschte. Eine rot gestrichene Wand mit dem Schriftzug „For All I Know He Had My Friend Angel Killed“ referiert auf eine Performance, die Ybarra 2005 abhielt und im Laufe derer er gewalttätige Szenen aus dem Drehbuch von „Scarface“ las. Die Installation stellt zum einen eine Hommage an seinen Freund Angel Montes Jr. dar, für den der Protagonist des Films „Scarface“, Tony Montana, skrupellosen Erfolg und Reichtum verkörperte. Als kubanischer Einwanderer arbeitete sich Montana zum Unterweltsboss im Miami der 80iger Jahre empor und personifizierte damit Aufstieg und Untergang eines Drogenimperiums. Zum anderen knüpft Ybarra an Personenkulte an, wie sie seit den Anfängen der Filmindustrie in allen Facetten gepflegt werden. Persönliche Gegenstände von Stars werden als Objekte mit quasi religiösem Charakter gehandelt und dienen dem Einzelnen wie der Masse zur Konstituierung von Identität. Der Künstler verwandelt die Galerie in eine Art Schrein, in der dem fiktiven Charakter aus einem Film gehuldigt wird, der als „Hollywood’s greatest underworld drama“ gilt. Die beispiellose Brutalität des Films steht noch heute für die Dekadenz grenzenloser Macht und die Korruptheit gesellschaftlicher Systeme.

Birgid Uccia