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Marilyn Manson (*1969) ist für vieles bekannt: in erster Linie für seine Musik aber auch als Skandalfigur und Dorn im Auge der Moralhüter Amerikas. Weniger bekannt jedoch ist er für seine Malerei, mit der er sich seit vielen Jahren, zum Teil ausschließlich und über lange Phasen ohne zu musizieren, beschäftigt. Seine Aquarelle, von denen die Kunsthalle Wien rund 20, teilweise eigens für diese Ausstellung entstandene Blätter zeigt, muten formal sehr gefühlsbetont und sanft an, und stehen damit im krassen Gegensatz zu den Themen und Motiven, die sie abbilden: Schmerz, Verlust, Verzweiflung, durch Schmerz verstärkte Selbstentfremdung, aber auch durch Agonie ermöglichte Selbstfindung. Mansons Interesse konzentriert sich auf die Analyse von Körperextremitäten gleichermaßen wie -kavitäten, also genau jener besonders sensiblen Teile des Körpers wie Mund, Fingerspitzen, Augen oder Genitalien, deren Verletzung in uns Menschen Urängste weckt.

„Draußen regnete es Katzen und bellende Hunde. Wie ein Spross kollektiver Humanität, der gerade aus dem Ei gebrochen war, kam Marilyn Manson hineingeschlendert“ verkündet der Regisseur David Lynch in der Einleitung zu Mansons Biographie von 2000, und vermittelt so treffend die Atmosphäre, der man sich in einer Ausstellung von Mansons malerischem Werk aussetzt. Als Gegenstück und historischer Bezugspunkt zu Manson ist der hier zitierte Regisseur David Lynch (*1946) mit vier Kurzfilmen aus den Jahren 1967 bis 1973 in der Ausstellung vertreten. Es gab bereits in der Vergangenheit wiederholt Initiativen der Zusammenarbeit der beiden Künstler: so trat Manson in einer kleinen aber einprägsamen Rolle als Pornostar und Sänger in Lynchs Lost Highway (1997) auf. David Lynch hatte in dem ursprünglich als Serie projektierten Mulholland Drive eine Rolle für ihn geplant, die allerdings in der letztendlich 2001 produzierten Spielfilmversion nicht mehr vorgesehen war.

Wie die Werktitel seiner Arbeiten andeuten – Six Men Getting Sick (1967), The Grandmother (1970) und The Amputee (1973), geht es Lynch auch um die Reflexion über und die Ästhetisierung von Schmerz, sowie die Deformation und Vergänglichkeit des menschlichen Körpers. Was sich in seinen weltberühmt gewordenen Filmstreifen Eraserhead (1977), The Elephant Man (1980) und Lost Highway (1997) deutlich manifestiert, wurzelt bereits in seinem frühen künstlerischen Schaffen: das Interesse am Kopf als Körperteil, der meist gewalttätigen Entstellungen ausgesetzt wird. Die wohl eindrücklichste frühe Arbeit ist der in der Ausstellung gezeigte Kurzfilm The Alphabet (1968), wo der Kopf als primäres Objekt der meist gewalttätigen Entstellung zu erkennen ist: ihm werden im wahrsten Sinne gewaltsam Buchstaben eingetrichtert, was als ironischer Kommentar auf die cartesianische Vorstellung zu lesen ist, wonach der Sitz unserer Intelligenz allein im Gehirn zu finden sei. Denn welches Gewicht werden Verletzte, Gekränkte und Mutilierte dem Grundsatz von „Cogito ergo sum“ im Falle äußerster Schmerzempfindung noch beimessen wollen?