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Mit seinen fantastischen Figurationen aus Tusche und Aquarell in gedeckter Farbigkeit erlangte der in New York lebende Künstler Marcel Dzama (geb. 1974 in Winnipeg, Kanada) internationale Bekanntheit. Heute gehört er zu den bedeutendsten figurativ arbeitenden Künstlern seiner Generation.

Der Kunstverein Braunschweig widmet Dzama mit der Ausstellung The Never Known into the Forgotten die erste umfassende, institutionelle Einzelausstellung in Deutschland. Neben einer großen Auswahl an Tuschen und Collagen, werden Skulpturen, Dioramen und Filme präsentiert.  

Auf den ersten Blick muten Marcel Dzamas feine Arbeiten fast unschuldig an, doch hinter dieser Fassade tut sich ein groteskes und bisweilen auch grausames Universum auf: Maskierte, Uniformierte und Bewaffnete, Tanzende, Liebende oder sich Quälende sind die Protagonisten seiner anmutig wie erschreckend choreografierten Bilderwelt, die sich den menschlichen Abgründen zu widmen scheint. Dzamas unheimliche Traumwelt des Unbewussten baut meist keine stringente Erzählung auf, sondern schafft eine metaphorische Landschaft, die beim Betrachter vielfältige Assoziationen und Interpretationen anregt. So bündeln sich verschiedenste Einflüsse aus der älteren und jüngeren Kunstgeschichte in seinen Arbeiten: Francisco de Goya, Dada, insbesondere auch Marcel Duchamp sowie Oskar Schlemmers „Triadisches Ballett“. Vor allem die Bildästhetik 1920er Jahre ist präsent in Dzamas Werk, mannigfaltig angereichert mit Verweisen auf Literatur, Psychologie, Filmgeschichte und aktuelle Politik.  

Auch Dzamas aufwendige Dioramen – bühnenartige Schaukästen – werden von bizarren, hybriden Lebewesen aus Historie, Mythologie und Fabelwelt bevölkert. Das Diorama On the banks of the red river (2008) besteht aus fast 300 Keramik-Skulpturen vor nachtschwarzer Kulisse: aristokratische Jäger zielen mit Gewähren auf verschiedene Kreaturen, tote Tiere, Fantasiewesen und riesige Köpfe liegen bereits leblos am Boden. In museal anmutenden Vitrinen dann präsentiert Dzama Sammelsurien aus kalkweißen Masken, Tieren und Köpfen, die in diesem Kontext wie Schätze eines brutalen Feldzugs durch fremde Welten wirken.  

Das Thema des Krieges und die Stereotypen des Terroristen sind auch in Dzamas Filmen stets prominent: Uniformiert, in der Hand die Kalaschnikow, mit Kapuzen oder Sturmhauben vermummt, treten sie beispielsweise in The Infidels (2009) in Scharen zum Kampf an und finden schließlich zu einer Art Geisterzug zusammen. In den oftmals apokalyptischen Szenarien wird der Krieg nicht mystifiziert, er wird als ein allgemeingültiges historisches Phänomen akzeptiert und als phantasmagorische Ausgeburt erschreckend vielgestaltig präsentiert. Im Spiegelsaal der Villa Salve Hospes ist Dzamas aktueller Film A Game of Chess (2011) zu sehen. Die Ästhetik erinnert an den surrealistischen Experimentalfilm und scheint sich auf Schlemmers Bauhaus-Ballett zu beziehen. Unheimlich und anmutig zugleich erobern die Tänzer in geometrischen Kostümen zu bedrohlicher Musik den Raum. Die kriegerischen Handlungen werden hier verfremdet und erzählen metaphorisch von den dunklen Triebkräften der Kulturen.  

Marcel Dzama war in den letzten Jahren international mit Einzelausstellungen vertreten, so unter anderem im Musée d'Art Contemporain de Montréal, Kanada (2010) oder dem Centre for Contemporary Art in Glasgow, Schottland (2006). Zur Ausstellung erscheint Ende des Jahres ein umfassender Katalog mit Textbeiträgen von Katrin Meder und Hilke Wagner.