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Die Ausstellung „Making Things Public“ wagt die Erneuerung des Politischen aus dem Geiste der Kunst und der Wissenschaft. Diese ungewöhnliche Ausstellung baut auf der Ausstellung Iconoclash (ZKM 2002) auf, welche die Krise der Repräsentation in der Kunst behandelte, während Making Things Public das Problem der Repräsentation in der Politik entfaltet.

In diesem bahnbrechenden Projekt überdenken mehr als hundert Künstler, Wissenschaftler, Soziologen, Philosophen, Historiker den Begriff Politik neu. In einer Zeit, in der viele Menschen an der Politik zweifeln und verzweifeln, ist es dringlich notwendig, nicht die traditionellen politischen Antworten auf die Probleme der Zeit zu erhalten, sondern die Frage nach dem Politischen selbst neu zu stellen.

Dabei ist es nicht verfehlt, sich zu erinnern, dass eine der einflussreichsten Schriften zur Philosophie des Politischen, nämlich „Leviathan“ (1651) von Thomas Hobbes, eigentlich nicht als politischer Traktat beginnt, sondern mit dem Entwurf einer Ästhetik: „Die Natur (das ist die Kunst, mit der Gott die Welt gemacht hat und lenkt) wird durch die Kunst des Menschen wie in vielen anderen Dingen so auch darin nachgeahmt, dass sie ein künstliches Tier herstellen kann.“ Hobbes führt also bereits die drei Arten der Repräsentation, die üblicherweise getrennt gehalten werden, zusammen, wie auch wir es explizit tun: Nämlich die Wissenschaft, welche die Natur und Dinge repräsentiert, die Politik, welche die Menschen repräsentiert und die Kunst, welche das Zusammenkommen von Menschen und Dingen repräsentiert.

Wir haben uns an eine Auffassung von Demokratie gewöhnt, in der es nur um eine Art der Repräsentation geht, nämlich um die Repräsentation des Volkes bzw. der Interessen von Menschen, deren Konflikte im Parlament gelöst werden. Wir denken also bei Demokratie an eine repräsentative parlamentarische Demokratie. Der hier vorgetragene neue Begriff des Politischen blendet die Repräsentationsstrategien der Wissenschaft und Kunst nicht aus, sondern erweitert im Gegenteil die bisherigen politischen Repräsentationstechniken um Wissenschaft und Kunst. Anstatt nach mehr Demokratie nur in der professionellen Politik zu suchen, lenken wir die Aufmerksamkeit auf die neuen atmosphärischen Bedingungen den Demokratischen, ein komplexes Set von Technologien, Schnittstellen, Plattformen, Netzwerken und Medien, die Dinge öffentlich werden lassen.

Wir gehen also zurück auf die Dinge der Natur, der Menschen, der Kunst, die das Politische begründen, und fragen gleichzeitig, was sind diese Dinge? Wir fragen, wie entstehen Dinge? Wie werden Dinge öffentlich gemacht? Was sind öffentliche Dinge, res publica? Republik?

Die Ausstellung gliedert sich in 13 Themenbereiche. Ausgehend von Bitte keine Politik werden Versammlungsarten anderer Kulturen untersucht. Für Das Puzzle der zusammengesetzten Körper, Die gute und die schlechte Regierung ist das Thema des Sammelns, des Zusammenbringens von wesentlicher Bedeutung. In dem Abschnitt „Versammlung der Versammlungen“ sieht der Besucher, dass es viele andere Arten des Zusammenkommens gibt, die zwar nicht politisch im herkömmlichen Sinn des Wortes sind, aber in denen sich eine Öffentlichkeit um Dinge wie wissenschaftliche Labors, technische Projekte, Supermärkte, Finanzplätze, Kirchen herum formiert – Der Markt ist auch ein Parlament. Es geht aber auch um die strittigen Fragen der natürlichen Ressourcen wie Flüsse, Landschaften, Tiere, Temperatur und Luft – Die Parlamente der Natur. All diese Phänomene haben zu einer verwirrenden Bandbreite von Repräsentationstechniken geführt, welche die reale politische Landschaft, in der wir leben, atmen und diskutieren, geschaffen haben. Können diese Dinge, die sicherlich Ansammlungen darstellen, in wirkliche Versammlungen verwandelt werden?

Ein nächster Abschnitt zeigt: Auch Parlamente sind komplexe Technologien. Anstatt zu behaupten, dass Abstimmen, Reden, Diskutieren und Entscheiden seltsam anmutende Mechanismen seien, beginnt der Besucher, diese Prozesse wegen ihrer fein gegliederten und ausbalancierten Vermittlungsstruktur mit großem Respekt zu betrachten. Demokratie wird in diesem Abschnitt nicht nur in der offiziellen „Sphäre“ professioneller Politik gesehen, sondern die Aufmerksamkeit wird auf die neuen technischen Bedingungen gelenkt, die es ermöglichen, dass Dinge öffentlich gemacht werden – Keine Vermittlung, keine Repräsentation. Der nächste logische Schritt ist es, sich vorzustellen, was repräsentative Versammlungen erreichen können, wenn sie all die zuvor betrachteten Vermittlungstechniken nutzbringend anwenden würden. Hiermit begibt sich der Besucher in den letzten Teil der Ausstellung und stellt sich die Zukunft der Politik vor, wo Eine neue Eloquenz und Neue politische Leidenschaften entwickelt werden.

Beim Verlassen der Ausstellung wird klar, dass das Repertoire an Haltungen und Leidenschaften, die üblicherweise mit dem Einnehmen eines politischen Standpunkts verbunden werden, entschieden zu eng gefasst ist. In anderen nichtwestlichen Traditionen, in den alten politischen Philosophien, in den meisten Bereichen der modernen Wissenschaft und Technologie, in den neuen Räumen im Internet und in den Instrumenten der Repräsentation, von denen Parlamente nur einen Teil darstellen, gibt es zahlreiche andere Möglichkeiten, politisch zu agieren und reagieren. Warum also nicht eine „objektbezogene Demokratie“ ausprobieren und „zurück zu den Dingen“ gehen?!

Während des Aufenthalts in der Ausstellung hinterlässt der Besucher zahlreiche Spuren, die das Phantom Öffentlichkeit aktivieren, und dieses Phantom wiederum hinterlässt einige Spuren im Besucher. Ohne sich darüber vollständig klar zu werden, wurde der Besucher gleichzeitig Akteur und Projektionsfläche eines unsichtbaren Kunstwerkes, welches danach strebt, das neue Gemeinwesen zu veranschaulichen und mit Substanz auszustatten. Das gemeinsame Erforschen der unbeabsichtigten und unerwarteten Auswirkungen unserer Handlungen ist in den Worten des amerikanischen Philosophen John Dewey die einzige Möglichkeit, „die Öffentlichkeit entstehen zu lassen“. Genau dieses versuchen wir mit den Besuchern der Ausstellung zu erreichen: sie werden in neuen Gruppierungen zusammengeführt und werden so Teil von einem vollständig neuen Ding, einer neuen Versammlung.

Zur Ausstellung erscheint ein englischsprachiger Katalog: Making Things Public – Atmospheres of Democracy Hrsg. von Bruno Latour und Peter Weibel MIT Press Cambridge, Mass.

Die Ausstellung wurde realisiert mit der Unterstützung von: The Culture 2000 programme of the European Union

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Making Things Public. Atmosphären der Demokratie
Eine Ausstellung im ZKM | Museum für Neue Kunst
Kuratoren: Bruno Latour, Peter Weibel
ZKM - Museum für Neue Kunst

Beiträge in der Ausstellung von:
Capt. W.A.D. Acland, Richard Aczel, Marton Fernezelyi, Robert Koch, Zoltan Szegedy-Maszak, Michel Authier, Ieva Auzina, Esther Polak & RIXC – Riga Centre for New Media Culture, Darion Azzellini und Oliver Ressler, Andrew Barry und Lucy Kimbell, Wiebe Bijker und Emilie Gomart, Ecke Bonk, Abraham Bosse, Pieter Bruegel der Ältere, Bureau d´études, Baltasare Castiglione, Daniel Nikolaus Chodowiecki, Franck Cochoy, Catherine Grandclement & Alexis Bertrand, Lucas Cranach der Jüngere, Cranach-Schule , Honoré Daumier, Carbon Defense League, Didier Demorcy, Vincianne Despret & Anne Frezard & Gille Le Pape, Isabelle Mauz, Studio Plo , Julien Gravelle und Gérard Jadoul, Raymond Depardon, Barbara Dölemeyer, Albrecht Dürer, Johann Dürr, Elizabeth Edwards, Olafur Eliasson, Harun Farocki, Jean-Noel Ferrié, Baudouin Dupret, Tom Fürstner, Futurefarmers  (Amy Franceschini, Josh On, Brain Won), Peter Galison, Sir Francis Galton, Dario Gamboni, Matthias Gerung, Philippe Geslin, Ellen Hertz & Nicolas Yazgi, Patrick Burnier, Matthias Gommel, Christelle Gramaglia, Jean-Pierre Le Bourhis, Anke te Heesen, Chris Herzfeld, Francisco de Goya, Johann Oswald Harms, Graham Harwood / Mongrel , John Heartfield, Hermann von Helmholtz, Anita Herle & Amiria Henare, Steve Hilgartner, Michael Lynch & Carin Berkowitz, Antoine Hennion, Genevieve Teil & Frederic Vergnaud, Michel Jaffrennou & Thierry Coduys, Felix Stephan Huber, Peter James, Pablo Jensen, Natalie Jeremijenko, Joseph Leo Koerner, Hans Kreutter, Cyrille Latour, Bruno Latour, Pierre Lemonnier, Golan Levin, Michael Light, Armin Linke, Thomas Locher, Ambrogio Lorenzetti, Raimondi Marcantonio, Noortje Marres, Richard Rogers, Eden Medina, Meister des Sforza-Gebetbuches, Matthias Merian, Eduard Meyer, Ana Miljacki, Lorenza Mondada, Robb Moss, Jean-Luc Moulene, Fabian Muniesa, Daniel Beunza, Alex Preda, Otto Neurath, Christian Nold, Wilhelm Ostwald, Guillaume Paris, Bruno Paul, Lisa Pon, Enno Poppe, Diego Rivera, Ben Rubin, Warren Sack, Sammlung Karl Frölich, Simon Schaffer, F.W.J. Schelling, F.D.E. Schleiermacher, Henning Schmidgen & Hans-Jörg Rheinberger, Ludger Schwarte, Hütten & Paläste & Felix Forthmeijer, Allan Sekula, Hanna Rose Shell, Susan S. Silbey, Robert Silvers, Peter Sloterdijk, Brian Springer, Sir Benjamin Stone, Leonhard Christoph Sturm, Anne-Christine Taylor & Philippe Descola, Nigel Thrift & Amin Ash, Andrei Ujica, Giorgio Vasari, Olivier Vallet, Otto Warburg, Xperiment, Carey Young, Hui Zhuang