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IM ZWISCHENREICH DES HERRN TROBERG

Die künstlerischen Wurzeln von Lukas Troberg liegen in der Graffiti- und Street Art. Die Zeichen und Schrifttypen dieses Genres finden sich daher nicht selten in seinem facettenreichen Werk wieder, das Performances, vor allem aber Objekte und auch In-Situ-Arbeiten umfasst. 2008 zum Beispiel versah der Künstler die WC-Räume eines Wiener Nachtlokals mit einer All-Over-Struktur aus grafischen, auf die Umrisslinien beschränkten Formen, die wie ineinander verkeilt wirkten. Mit dieser Freihandzeichnung, die den Raum und sämtliche seiner Details buchstäblich zu fluten schien, bezog sich Troberg direkt auf die Graffititechnik des Throw Up. Das „Raufgeworfene“ steht in der Sprayer-Szene für das möglichst schnelle Anbringen von großflächigen, auf die Konturen beschränkten Wörtern (Tags). So haftete der Intervention unweigerlich der Charme einer Nacht-und-Nebel-Aktion an, wenngleich sie mit sichtlicher Sorgfalt, mit nahezu schablonenhafter Akkuratesse ausgeführt schien. „Donau“, so der Titel der Arbeit (und auch der Name des Lokals) entführte in ein formalästhetisches Zwischenreich. Die etablierten Spielregeln der Street Art wie auch der institutionellen Kunst waren hier völlig ausgehebelt. Wie in seinen späteren Arbeiten ging es dem Künstler bereits in diesem frühen Projekt vor allem um das Hinterfragen von bestehenden (Wert-)Systemen. Permanent auf der Suche nach neuen Blickwinkeln auf das Gewohnte, lässt er die Betrachter seiner Werke deshalb in eine Welt eintauchen, die gleichermaßen vertraut und fremd erscheint. So schuf er in diesem Sinne eine Reihe von Objekten, die auf eben dieser Dualität aufbauen: „Amber“ (2009) und „Shuttle“ (2011) zum Beispiel – beides handliche Skulpturen, die allem Anschein nach auf ihren Gebrauchswert hin geprüft werden wollen. Nur was hält uns davon ab, sie anzufassen, zu drehen und zu wenden, zu versuchen, sie irgendwo hineinzuschrauben? Die exklusiv anmutende Oberfläche, die sich Trobergs künstlerischem Veredelungsprozess verdankt, ist der Grund für den respektvoll distanzierten Umgang mit diesen Objekten. Der Künstler findet sie übrigens auf der Straße, auf Baustellen oder anderen Zonen, die er durchkreuzt. Im „Dérive“, sprich im Erkunden einer Stadt durch zielloses Umherschweifen, sahen schon die situationistischen Künstler der 1960ern etwas Produktives – ein Umstand, der sie in die Nähe der Graffiti-Sprayer rücken lässt. Das Troberg’sche Mäandern durch die Stadtlandschaft wurzelt damit in der Street Art ebenso wie im situationistischen „Dérive“. Das Subversive ist dabei einigen seiner Werke inhärent. Der per Video nachvollziehbaren Aktion „kannst stanzen“ (2011) etwa, in der Troberg den Kern einer österreichischen und einer deutschen Euromünze herausstanzt, um ihn dann dem jeweils anderen Münzenring einzuverleiben. Man kann diese Arbeit durchaus politisch lesen.

Mit seiner Einzelausstellung „Sorry“ in der Galerie Michaela Stock 2012 schien sich dagegen wieder der Kreis zu „Donau“ zu schließen. Anhand eines aus Baulampen bestehenden Leuchtschriftzugs beschäftigte sich Troberg hier u.a. mit dem Aspekt der „perfekten Linie“ und deren hybrider Verfasstheit zwischen geplanter und intuitiver Ausführung. Was den Anschein hatte, als verdankte es sich einer spielerischen Laune, kristallisierte sich in Wahrheit als Resultat einer minutiösen Konzeption und zeitaufwändigen Werkproduktion heraus. Damit thematisierte Troberg nicht zuletzt die Widersprüchlichkeit zwischen der Wahrnehmung des Betrachters und der Verfasstheit eines Kunstwerks.

Welcher Darstellungsformen sich Lukas Troberg auch immer bedient, er beschert dem Betrachter immer ein emotionales Wechselbad von Nähe und Distanz. Sein Schaffen entzieht sich nicht zuletzt deshalb jeglicher Vereinnahmung. Und so wenig man die Arbeiten konkret zu fassen kriegt, so wenig lässt sich absehen, in welcher Form der Künstler als nächstes die Systeme und Konventionen des Ausstellungsbetriebs unterwandern wird. Sicher ist nur, dass er sie unterwandern wird.

Manisha Jothady