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Im Studio der Galerie: LUCIAN FREUD - Radierungen

Lucian Freud, am 8. Dezember 1922 in Berlin geboren, gilt als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Seine Porträts und Aktdarstellungen von Freunden und Familienangehörigen zählen zum Eindringlichsten, was die zeitgenössische figurative Malerei zu bieten hat. Obwohl vor allem als Maler bekannt, ist das Radieren seit 1982 wesentlicher Bestandteil seines künstlerischen Schaffens. Anlässlich der derzeitigen Lucian Freud Ausstellung im Kunsthistorischen Museum Wien zeigt die Galerie Boisserée im Studio sechs Radierungen des Künstlers. Seine Quelle ist der menschliche Körper. Der Körper wird zum Porträt, und so spricht denn Freud auch von "Nackt- und Kopfporträts". In seinen Porträts stellt er nackte, wenig schmeichelhafte Körper dar. Die frontal Dargestellten, die Fleischtöne, der pastose Farbauftrag, die üppigen Körper sind das Gegenteil von gefällig, das Gegenteil des heutigen Körperkults perfekter Körper. Freud war nach eigenen Worten fasziniert von den "wunden und abgescheuerten Stellen" und den "verblüffenden Kratern" der vom Leben gezeichneten menschlichen Körper. "Meine Porträts sollen die Menschen zeigen, statt ihnen zu ähneln. Ich will nicht, dass das mein Bild wird, sondern ihres." Davon nahm er sich selbst nicht aus. Die Modelle sollten Körper haben, die den Maler herausfordern. Weniger bekannt ist das druckgraphische Werke Lucian Freuds. 2007/2008 widmete das New Yorker Museum of Modern Art (MOMA) seinem graphischen Werk daher eine eigene Ausstellung. Mit 75 Radierungen präsentierte die Ausstellung "Lucian Freud: The Painter’s Etching" sein nahezu gesamtes druckgraphisches Werk, von den frühen Experimenten der vierziger Jahre über die Achtziger, in denen er sich der Radierung intensiv widmete, bis in die Gegenwart hinein. Die im Studio der Galerie Boisserée gezeigten Radierungen, die in der New Yorker Ausstellung zu sehen waren und im Katalog besonders besprochen werden, stehen wie sein gesamtes druckgraphisches Werk in einer spannenden Wechselwirkung zu seinen Gemälden. Radierung und Gemälde des Künstlers stehen gleichberechtigt in seinem Gesamtwerk nebeneinander. Wie viele Künstler kam Freud über die Zeichnung zur Radierung. Bis auf 2 Linolschnitte von 1936 und eine Lithographie von 1944 hat er – bis auf wenige Farbradierungen in den 40er Jahren – ausschließlich Schwarzweißradierungen gemacht. 1982 begann Freuds eigentliche druckgraphische Schaffensphase. Die Radierung wird integraler Bestandteil seiner künstlerischen Arbeit und zu einer Erweiterung seiner Arbeit als Maler. Sie ist nie Abbildung seiner Gemälde sondern vielmehr Ausdruck einer anderen Betrachtungsweise. Seine Radierungen zeichnen sich durch einfache schwarze Linien aus. In seinen Gemälden änderte er die Oberflächen durch die veränderte Richtung der Pinselstriche. In seinen Radierungen erzielt er einen ähnlichen Effekt, indem er die Nähe der Linien zueinander ändert, sie bündelt, vereinzelt oder schraffiert. Während in seiner Malerei die Farbwahl äußerst wichtig ist, da die Farben einen großen Teil der emotionalen Wirkung ausmachen, verwendet er beim Radieren nie Farbe, nie Aquatinta. Die Leere der weißen Flächen ersetzt die Körperlichkeit in seinen Gemälden. Die Druckfarben reichen von einem stählernen Schwarz bis zu Braunschwarz. Die dargestellten Personen sind – wie bei Rembrandt, den Freud verehrte – ihres Umfeldes, ihrer Funktion entzogen. Die Darstellung ist reduzierter und konzentrierter als in der Malerei. In Lucian Freuds Werk wird der Unterschied zwischen Nacktheit und Porträt bedeutungslos. Er schaut den Porträtierten unter die Haut. Nah und intim und zugleich distanziert. Keine Beschönigung. Keine oberflächlichen Versöhnungen. Kein Mittelmaß. Das Wahre ist hier ungeschönt, nackt, müde, ohne Scham. Lucian Freud, der Enkel Sigmund Freuds, starb am 20. Juli 2011 in London.

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Lucian Freud
Radierungen

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Lucian Freud