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Corinth notierte zum Ende seines Lebens in sein Tagebuch: „... die wahre Kunst ist Unwirklichkeit üben.“ Die Ausstellung mit Werken von Lovis Corinth (1858–1925) und Max Slevogt (1868–1932), die aus den Beständen des Lenbachhauses entwickelt und durch wichtige Leihgaben ergänzt wird, konzentriert sich darauf, an welchem Punkt die in den Bildern verkörperte Realität überstiegen wird und die Erforschung des Unwirklichen einsetzt. Gerade weil sich beide Künstler ganz traditionellen Sujets widmen, wird das Ringen um eine Gestaltung, die eine Andeutung des Unfassbaren zulässt, umso spürbarer. Die Kunst hat einen emotionalen, geradezu pathetischen Charakter. Im Rausch bedeckt der junge Corinth zahlreiche Postkarten mit wunderbaren heiteren oder satirischen Skizzen, die er an seinen Künstlerfreund Carl Strathmann schickt. In dessen zeitgleich entstandenem Porträt aber betont er ausschließlich die strenge, bürgerliche Seite des Freundes, die nichts von einem Hang zum Exzessiven erahnen lässt.

Immer wieder stellt sich – gerade vor dem Hintergrund der Sammlung des Blauen Reiter im Lenbachhaus – die Frage nach der spezifischen Modernität von Corinth und Slevogt. In Corinths Werk tauchen vielfach Totenschädel, Skelette und andere Symbole der Vergänglichkeit auf, die zugleich auf freimaurerische Rituale verweisen. Kandinsky lehnte die Verwendung all der „abgebrauchten“ Symbole entschieden ab. Als Kennzeichen der Modernität seines Werks gilt die Abstraktion. Doch allen Künstlern ist in jener Umbruchszeit vom 19. zum 20. Jahrhundert das Ringen um neue Ausdrucksformen gemeinsam, das durchaus oft vom Scheitern begleitet ist, was sich etwa an Max Slevogts Versuchen ablesen lässt, für die Schrecken des Ersten Weltkriegs angemessene künstlerische Gestaltungsformen zu finden. Ein ähnliches Problem ergibt sich dort, wo Corinth und Slevogt traditionellen Darstellungen christlicher Ikonographie folgen und doch einen spezifischen, zeitgenössischen Zugang zum Thema suchen. So treten die animalischen Züge des leidenden Christus expressiv hervor, und Corinth löst die Frage, wie Christi Blut in auch nur annähernd angemessener Weise malerisch dargestellt werden kann, mit der Wahl der reinen Farbe. Beim Malen seiner Walchenseelandschaften sucht Corinth Distanz zur vorgefundenen Wirklichkeit, indem er auf das Verblassen der Farben in der Dämmerung wartet um, ganz entrückt und gewissermaßen blind, das in der Vorstellung bereits vollendete Werk in kürzester Zeit zu realisieren. Slevogt setzt dort, wo das nicht mehr Darstellbare thematisiert wird, eine besondere Schwärze ein. Das Schwarzweiß der graphischen Blätter lässt größeren Freiraum für die Imagination und ist somit für die Thematisierung des Seelischen und Phantastischen besonders geeignet.

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Lovis Corinth und Max Slevogt - Unwirklichkeit üben
Kuratorin: Marion Ackermann