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Der in Wien lebende gebürtige Münchner Leopold Kessler (geb. 1976) stellt in diesem Sommer im Studio der Neuen Galerie Graz und somit erstmals in Graz aus.

Die Ausstellung ist als Teil einer Serie zu verstehen, die sich seit 2004 mit dem gegenwärtigen Skulpturbegriff auseinandersetzt.

Kesslers meist im öffentlichen Raum stattfindende Interventionen, die er bereits in Städten wie Wien, London, Paris, New York, Bratislava oder San Sebastian durchgeführt hat, stehen eng in Verbindung mit einem sehr erweiterten Begriff von Skulptur und Plastik. Kunstströmungen wie Fluxus, Happening oder Aktionskunst haben seit den 1960er Jahren den Kunstbegriff stark verändert. Unter dem Eindruck derartiger Bewegungen und der fortschreitenden Entwicklung technischer Möglichkeiten kann Skulptur heute Installation, multimediale Performance, rein sprachliche Äußerung oder sogar ein sozialer Prozess – ein Eingriff in den gesellschaftlichen Handlungszusammenhang – sein. Wobei die Form der Handlung, oft mit Partizipation des Publikums, das nicht notwendigerweise darauf vorbereitet sein muss, sicherlich die radikalste Konsequenz der erweiterten Skulptur ist. An diesem Punkt beginnt Leopold Kesslers Kunstpraxis. Indem er den öffentlichen Raum als Schnittstelle zwischen Privatheit und Öffentlichkeit, sowie in der Folge zwischen Virtualität und Realität thematisiert, hinterfragt er letztlich auch die Gültigkeit dieser Zuweisungen. In seinem Fall ist nicht das urbane Ödland, das durch bauliche oder andere Unbenutzbarkeiten entsteht, sondern der öffentliche Ort in Verbindung mit dem öffentlichen Leben das Handlungsfeld. Kesslers Arbeiten sind meist Eingriffe, die durch geringfügige Veränderungen der Strukturen bzw. Einrichtungen des öffentlichen Lebens erzielt werden.

Das Funktionieren einer geregelten Infrastruktur (Energiequellen, Hinweisschilder, Verkehrsschilder, Stadtmöblierung etc.) ist Bestandteil in einem Netz von selbstverständlich in Kauf genommenen Regelmäßigkeiten, die einerseits gesellschaftliches Zusammenleben erleichtern und ordnen sollen. Sie sind andererseits aber auch Zeichen einer kontrollierbaren Öffentlichkeit, die Besitz- und Machtverhältnisse anzeigen. Durch die Störung dieser Ordnungen versucht Kessler, die Versprechen und Drohungen des Staates auf die Probe zu stellen. Auf ironisch-anarchische Weise greift der Künstler in ein Gefüge ein, das unter dem Deckmantel der Sicherheit, des Schutzes der Bürger, auch als Einschränkung empfunden werden kann. Diese Maßnahmen hinterfragen die gesetzlichen Grenzen und binden den meist unvorbereiteten Stadtbewohner selbst als Teil des kreativen Aktes ein. Stand der Mensch zu Beginn des Skulpturbegriffs im Zentrum der Überlegung – als Bild, als Repräsentation – so ist er das gegenwärtig wieder. Jedoch sind es jetzt seine sozialen Bedingungen und seine sich daraus ergebenden Handlungen, die ihn in dieses Zentrum führen.

Wenn in diesem Sommer also in Graz die Straßenlichter nachts zu blinken beginnen oder das Wasser des Brunnens am Hauptplatz über die Beckenränder hinausspritzt, wird man sich über die näheren Details dazu in der Ausstellung von Leopold Kessler im Studio der Neuen Galerie informieren können.

Günther Holler-Schuster

Pressetext

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Leopold Kessler
Kurator: Günther Holler-Schuster