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In seiner ersten Gastausstellung in der 2yk Galerie nähert sich der Kunsthistoriker und Kurator Dr. Leonhard Emmerling dem Unfassbaren: sechs künstlerische Positionen wurden ausgewählt, um darzustellen, was sich der Natur der Sache nach niemals ausreichend darstellen lässt. Statt einer enzyklopädischen Begriffsbestimmung wird ein Berührungsversuch, eine Annäherung unternommen. Ist schon jede kreatürliche Existenz nicht nur der Geworfenheit, sondern auch der finalen Absurdität und Gewalt des biologischen Todes unterworfen, so ist umso mehr jede heutige Existenz dadurch gezeichnet, dass sie mit der Unfassbarkeit dessen konfrontiert wird, was Menschen an Grausamkeit zu produzieren vermögen.

Aus diesem Grund wird der Fokus zum einen auf Werke gelegt, deren Hauptinteresse dem prinzipiell Unfassbaren/Absurden der menschlichen bzw. der kreatürlichen Existenz gilt (Ronnie van Hout, Sara Riehl). Zum anderen werden Arbeiten gezeigt, die das Problem der Vergegenwärtigung des historisch Vergangenen und doch Unfassbaren thematisieren, dies mit einer Konzentration auf die Nazi-Zeit (Christine Berndt, André Lützen).

Christine Berndt (D) hat für ihr Video "Der Brief der Jüdin" Bekannte gebeten, einen vorher ihnen unbekannten Brief zu lesen und sich dabei filmen zu lassen. Der Brief, den die Gefilmten lesen, stammt von einer Bewohnerin eines russischen Ghettos, die die allmähliche Vernichtung ihres Volkes beschreibt. Der Betrachter beobachtet die kaum merklichen Reaktionen der Leser und der Leserinnen, die mit einem Dokument unglaublichen Inhalts konfrontiert werden und dies auf ihre jeweilige, individuelle Art und Weise auszuhalten versuchen.

Im Zentrum der Arbeiten von Ronnie van Hout (NZ) steht der deformierte Mensch, der dem ihm widerfahrenen Unfassbaren rat- und sprachlos gegenübersteht. Mal ist er Objekt einer rätselhaften Transformation vom Humanen zum Animalischen, mal steht er selbst der Sphäre des Kreatürlichen als ratloser Kretin gegenüber. In der Ausstellung "Das Unfassbare" zeigt Ronnie van Hout die eigens dafür geschaffene Plastik "Cursing God": die Figur eines Mannes, der, die Stiefel im Dreck, voller Wut die Faust gegen einen ungerechten Gott reckt.

André Lützen (D) hat in Warschau Häuser photographiert, die heute dort stehen, wo die Grenzen des jüdischen Ghettos verliefen. Die Banalität der von ihm photographierten Häuserecken kontrastiert mit der Schrecklichkeit des Geschehens, das innerhalb dieser Grenzen einstmals stattgefunden hat.

Sara Riehl (IS) hat mit ihrem Film eines sich in einer Schnur verfangenden und sich allmählich erwürgenden Vogels ein durch Zeitlupe und Veränderung der Farben ungeheuer eindrückliches Bild des Todes geschaffen. Der im Todeskampf wild flügelschlagende Vogel wird durch die geringfügigen Manipulationen der Künstlerin zum ambivalenten Inbild einer Existenz voller Würde, der auf unfassbare Weise ein Ende bereitet ist.

Es gibt wenig Werke, welche in ihrer Spannung zwischen Bildinhalt und Komposition das Thema des Unfassbaren so deutlich transportieren wie Francisco de Goyas "Tampoco", das Bild eines Soldaten, der die Reihe der Gehängten betrachtet (Desastres de la Guerra, # 36). Goyas Bild ist aus diesem Grund integraler Bestandteil der Ausstellung.

Dr. Leonhard Emmerling war Mitarbeiter der Sammlung Prinzhorn, Heidelberg, der Pfalzgalerie Kaiserslautern und Kurator an den Krefelder Kunstmuseen. Seit Mai 2004 ist er Ausstellungsleiter des Kunstvereins Ludwigsburg.

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Kuratoren zu Gast in der 2yk Galerie
Leonhard Emmerling:
DAS UNFASSBARE

mit Christine Berndt, Ronnie van Hout, Andre Lützen, Francisco de Goya, Sara Riel