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Die neuen Arbeiten von Leo de Goede und Bertold Mathes Jede Malerei muss als Wahrnehmungscontainer und als Forschungsinstrument gesehen werden. Abstrakte Malerei spiegelt sich heute im Licht der Neuen Medien und angesichts deren gemorphter Oberflächen, expandiert ihre gesteigerte Eindrucksfähigkeit gerade in eine andere Richtung.

Leo de Goede und Bertold Mathes arbeiten beide schon viele Jahre am Gegenstand abstrakter Malerei. Ihre Begegnung ist kaum ein Jahr alt ist - und doch ist eine Art Kurzschluss entstanden, der die Potentiale beider Maler gegenseitig anheizt und kommentiert. Unabhängig voneinander, der eine im New Yorker Atelier, der andere bei München tätig, sind sie in ihrer jeweiligen Arbeit in gleiche Grenzbereiche vorgestossen, beide arbeiten an ähnlichen Notwendigkeiten und Erweiterungen inhaltlicher und formaler Kategorien nicht-objektiver Malerei.

Bilder von Leo der Goede hatten immer schon eine aufregende Botschaft. Die Oberflächen seiner bekannten Plywoodboards vermittelten eine Sprache als wären sie von Parasiten übermittelt. Fräsgänge im Holz, heraustätowiert mit Farben, die eher Naturgesetzen gehorchten denn Erfindungen. Eine fremde Welt, die aus der Natur das Künstliche zeigt, herausdestilliert und Natur als das von jeher Abstrakte begriffen hat. Die Gewissheit, dass Bewegung naturhaft ist und dass Hand-Werk im Malen, Sprache ist, durchzieht sein Werk und davon handeln insbesondere seine neuesten Arbeiten. Frühe Schablonen aus locker gezeichneten Wellenlinien, bilden den Grund für seine heutigen Bilder. Ein lineares Skelett aus gespiegelten Schablonenfiguren wird als Muster auf Masonitbretter aufgetragen, daran angedockt in aufwändiger Schneideprozedur, Schichten von Farbe. Filigrane Kurven, die an „Intarsien“ erinnern, oder an Einlegearbeiten aus Holz, Perlmutt oder Stein. Schlieren und Maserungen, die einer komplexen, ornamentalen Welt entstammen könnten und die naturhafte Prozesse auf zweifache Weise lebendig halten: als geschwungene Figur der zeichnenden Hand - und im verwobenem Farbgeflecht, das dem Holzimitat näher ist als einer Komposition. Gleichnis einer paradoxen Relation von Dekoration und geistiger Erfahrung.

Wenn „Natur“ als übergeordnete Einheit für Leo de Goedes Werk steht, ist es bei Bertold Mathes „das System“. Seit 20 Jahren arbeitet er intensiv an einem rigorosen Modell von Modulen mit der reduzierten Palette von Primär und Sekundärfarben zu der lediglich Schwarz, Weiss, Braun und Silber hinzu addiert ist. Viele hielten seine frühere Arbeit versehentlich für konkrete Kunst, bauhausorientiert oder Neo-Geo-geschulte-80-er-Jahre-Abstraktion. Mathes nutzt aber diese Phänomene der Vergangenheit nicht um von dort aus „weiterzumachen“, als deren ästhetisch-systemischen Kern zur eigenen, komplexen Geschichte auszubauen - um Steuerelemente zu finden für bisher unbekannte Bewegungen. Er hat seinem System kürzlich den Rücken gekehrt, ein Vorgang der für einen Maler eigentlich an Selbstmord grenzt - und malt andere Bilder. free-style-subjective-organic-abstract-figurative-construction, eine Einschätzung Bertold Mathes zu den aktuellen Arbeiten Leo de Goedes, treffen natürlich auch auf seine eigenen zu. Gratwanderungen sind auch seine neuen Bilder in höchstem Mass. Bereits in frühen Arbeiten, in Studienjahren an der Freiburger Akademie in der Malklasse bei Peter Dreher, konnte man beobachten, wie Bertold Mathes seine Malerei aufgefächert hat: Bilder in Werkgruppen zeigten abgearbeitete Malereiprobleme. Wie sich aus Serien Bilder aus der Gefangenschaft der Reihe lösen und auf Ungesehenes abgeklopft wurden, zeigt sich vielleicht erst heute im Spiegel der Radikalität seiner aktuellen Arbeiten. Die Sperrigkeit mancher Gemälde kommt vielleicht daher, dass er an den Rändern des Systems unterwegs war. Er hat mit intelligenter Malerei verstanden, diese Ränder als Bild zu etablieren.

Ich entdecke zu meinem Bedauern, dass, wenn ich alles rauslasse es zu viel sein wird. Ich arbeite bis zum Anschlag. Ich mache alles was ich will, denke was ich tun kann, um ein Bild wirklich überzeugend zu machen. Es kann furchtbar aussehen und bis ins Mark hässlich, aber sogar das ist interessant.

Malerei wie sie hier in neuen Arbeiten Bertold Mathes und Leo de Goede sichtbar wird, wäre ein Gegenentwurf zu fundamentalistischen Positionen, die der Suggestion erliegen, dass das „Ende der Malerei“ eine Leere hinterlassen hat, in der von Weisheit bis Dummheit alles platz findet. Ganz zu schweigen vom Retro-Look, der viele Werke und deren Betrachter befallen hat.

Kulturwerk, November 2006

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Leo de Goede und Bertold Mathes