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Eröffnung: Fr. 23.10.09, 19 Uhr Es sprechen Dr. Barbara Honrath, Goethe Institut; Dr. Barbara Könches, Kunststiftung NRW; Dejan Sretenovi, Kurator Museum of Contemporary Art, Belgrad; Kathrin Jentjens/Anja Nathan-Dorn, Direktorinnen

Lecture Performances sind ein aktuelles Phänomen der zeitgenössischen Kunst, das in den letzten Jahren zahlreiche Ausformulierungen erfahren hat. Künstler arbeiten in diesem relativ jungen Genre an der Schnittstelle von Vortrag und Performance und vermischen auf kreative Weise die Inszenierung der eigenen Person vor Publikum mit Methoden der klassischen Kunstvermittlung. Das künstlerische Verfahren besteht aus selbstreflexiven, diskursiven und performativen Aspekten.

Die inhaltlichen Schwerpunkte sind hierbei vielfältig: Künstler reagieren einerseits auf die Anfrage von Museen, Akademien und Medien, ihre eigene Arbeit zu erläutern. Andererseits werfen sie die Frage danach auf, wie Künstlerbiografien entstehen und ob Künstler an ihrer eigenen Geschichte mitschreiben können. Viele Künstler haben keine Scheu, ihre Rechercheprozesse offen zu legen, die sie zu einem künstlerischen Produkt führen, und lassen das Publikum daran teil haben. Andere wiederum interessieren sich für das Verhältnis von Bild und Kommentar oder die Rahmenbedingungen und Hilfsmittel von Vortragsperformances. Wieder andere schätzen das politische Moment und die Möglichkeit der unmittelbaren Ansprache des Publikums ohne vermittelnde Instanz. Schliesslich werden in Lecture Performances die Ansprüche der Wissenschaft und die Prinzipien der Rhetorik hinterfragt. Künstler präsentieren bewusst Halbwissen, lassen spontane Gedankenblitze zu und – um mit Heinrich von Kleist zu sprechen – entwickeln den Gedanken erst in der Rede.

In der Ausstellung Lecture Performance werden jüngste Installationen und Live-Performances von Fia Backström, Pauline Boudry und Renate Lorenz, Achim Lengerer, TkH, TrisVonna-Michell und Jeronimo Voss exemplarisch vorgestellt, in denen der künstlerische Charakter dieses Verfahrens betont wird. Gleichzeitig werden die Wurzeln dieses neuen Phänomens in der Ausstellung sichtbar. Der Einfluss von Interviews und Künstlerstatements, die in der amerikanischen Conceptual Art der 1960er und 1970er Jahre im Diskurs um Kontrolle und Mitsprache im Kunstsystem eine wichtige Rolle spielten, wird mit beispielhaften Arbeiten von Dan Graham und Robert Morris dargelegt. Die Aktionskunst in Osteuropa in den 1970er Jahren hat ebenfalls Spuren hinterlassen. Fragen zu Autorschaft, Rollenspiel und Möglichkeiten des politischen Ausdrucks werden in Videoarbeiten von Lutz Becker und einem als Walter Benjamin anonym auftretenden Künstler gezeigt. Schliesslich hat die institutionelle Kritik der 1980er und 1990er Jahre die Rahmenbedingungen des Kunstbetriebs offen gelegt, die in Lecture Performances heute weiter verarbeitet werden. Als Referenzarbeiten werden in der Ausstellung Videos und Performancedokumentationen von den V-Girls, Andrea Fraser, Martha Rosler und dem französischen Choreographen Xavier Le Roy vorgestellt, auf die sich junge Künstler immer wieder beziehen.

Die Besonderheit und Aktualität von Lecture Performances liegt in ihrem hybriden Charakter zwischen funktionalem Vortrag und künstlerischer Performance: Einerseits greifen sie historische Verfahren auf und andererseits reagieren die Künstler kreativ auf ein aktuelles Kunstsystem, deren Grenzen zwischen Produktion, Vermittlung und Kritik immer mehr verwischen.

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Lecture Performance

künstler:
Fia Backström, Lutz Becker [Berlin], Walter Benjamin, Pauline Boudry / Renate Lorenz, Andrea Fraser, Dan Graham, Achim Lengerer, Michael Lentz / Uli Winters, Xavier Le Roy, Robert Morris, Martha Rosler, TkH (Walking Theory), V-Girls , Tris Vonna-Michell, Jeronimo Voss