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Mit der Ausstellungsreihe Interna öffnet das atelierfrankfurt ab Mai 2006 ein kontinuierliches Ausstellungsprogramm in der Galerie im Erdgeschoss des Hauses. Interna ist eine von Katja Schroeder entwickelte Gastkuratorenreihe, zu der junge, auswärtige Kurator/innen eingeladen werden, Künstler/innen und Künstlergruppen aus den jeweiligen persönlichen Netzwerken vorzustellen. Ziel ist es, den Kontakt zu verschiedenen (sub-)kulturellen Szenen herzustellen, bestehende Verbindungen sichtbar zu machen, neue Impulse in lokale Zusammenhänge einzubringen und so durch fremde Kontexte neue Sichtweisen auf die eigenen Strukturen zu eröffnen. In diesem Sinne sollen die Gastkurator/innen ihre eigenen “Interna“ bewusst offen legen, nach Frankfurt mitbringen und zum Ausgangspunkt einer Spionage auf “fremdem Terrain“ machen.

Den Auftakt der Interna-Reihe bildet die Kuratorin Janneke de Vries, die in der Ausstellung Landungsbrücken unterschiedliche künstlerische Positionen aus Hamburg zusammenfasst. Der Titel steht zum einen für ein typisches Wahrzeichen der Hansestadt, nämlich den Ort an der Elbe, an dem in früherer Zeit die großen Schiffe angelandet bzw. von wo sie in die Welt hinausgefahren sind. International werden die Landungsbrücken mit Hamburg in Verbindung gebracht. Gleichzeitig weist der Begriff über lokale Zusammenhänge hinaus. Übertragen auf die bildende Kunst können Landungsbrücken als Sinnbild aufgefasst werden für einen allgemeinen Zustand des Ankommens oder Aufbrechens, für das Andocken an Fragestellungen oder das Hinterfragen und Erweitern herkömmlicher Situationen. Damit werden sie zum Stellvertreter für ein allgemeines Interesse in der bildenden Kunst. Dieser doppelte Sinn spiegelt sich auch in der Künstlerauswahl der Ausstellung. Sie beschränkt sich ausdrücklich nicht auf eine bestimmte “Szene” oder Gruppierung und vermeidet bewusst, etwas wie eine “typisch Hamburger“ Linie zu etablieren. Tatsächlich lässt sich diese anhand der präsentierten Positionen weder formal noch inhaltlich ausmachen. Vielmehr werden Haltungen gezeigt, die einen Eindruck von den unterschiedlichen und vielfältigen Facetten einer jungen, lokalen Kunstszene geben können. Auf diese Weise sollen der Austausch zwischen unterschiedlichen Städten angeregt und die Gemeinsamkeiten betont werden, die in der grundsätzlichen Interessenlage einzelner künstlerischer Ansätze liegen und über geografische Beschränkungen hinausgehen.

Daniel Maier-Reimer (geb. 1968): Auf ausgedehnten, oft monatelangen Wanderungen sucht Daniel Maier-Reimer menschenleere Landschaften auf. Das Ergebnis sind einige wenige, in einem langwierigen Prozess ausgewählte Fotografien. Sie verweigern klassische Ortsbeschreibungen und fungieren vielmehr als Psychogramme der aufgenommenen Umgebung. Die spezifische Landschaft, der zurückgezogene Aufenthalt des Künstlers in ihr und der Wunsch, all dies zu verknüpfen, führen zu Aufnahmen, die weniger ein ausgewähltes Motiv wiederzugeben haben, sondern neben ihrer Existenz als Bild auch repräsentativ für eine bestimmte Zeit und spezielle Zusammenhänge stehen.

Karolin Meunier (geb. 1975): In ihrem Film Modell Figur entwirft Karolin Meunier ein scheinbar wissenschaftlich und theoretisch fundiertes Schaubild zur Analyse der Beziehung zwischen realer und fiktiver Person, Autorschaft und Figur sowie deren Bezug zur Öffentlichkeit. Die Verzweigungen des Diagramms werden im Verlauf der Aufnahme immer undurchsichtiger und die Erläuterungen zunehmend abstrakt, bis schließlich beides für den Außenstehenden nicht mehr nachzuvollziehen ist. Die extremen Formen der Selbstbefragung werden so humorvoll auf die Spitze getrieben und als Farce entlarvt.

Patrick Rieve (geb. 1971): Patrick Rieves Zeichnungen und Collagen nähern sich städtischen Räumen – den privaten und öffentlichen. Die persönliche Kenntnis urbaner Situationen fungiert hier als Plattform, Lebensraum aus verschiedenen Blickwinkeln zu erfassen, zu dekonstruieren und so das Unbekannte im Vertrauten herauszuarbeiten. Rieves Papierarbeiten in unterschiedlichen Formaten und reduzierter Farbigkeit vermischen die Formensprache von Tattoo-, Comic- und Architekturzeichnung und werden zu weitläufigen Wandarbeiten zusammengestellt.

Hanna Schwarz (geb. 1975): Hanna Schwarz arbeitet mit Film, gegenständlichen wie ungegenständlichen Aquarellzeichnungen auf Wand und Papier sowie mit Objekten, die sie einzeln präsentiert als auch zu Installationen zusammenfasst. Verbindender Grundton ist dabei ihre zurückgenommene Farbigkeit in Schwarzweiß, ihre fragile Ausstrahlung sowie das Interesse für die Gegensätze Künstlichkeit-Natur und deren Darstellung. Angeregt durch ihre Vorliebe für den französischen Film der sechziger Jahre oder alte Musicals werden diese Elemente verbunden und zu bühnenartigen Situationen entwickelt.

Mirjam Thomann (geb. 1978): Der Fokus von Mirjam Thomann liegt auf architektonischen Zwischenräumen und markanten Raumsituationen in öffentlichen Gebäuden – Bereichen, die in der Schwebe verbleiben und nicht eindeutig zuzuordnen sind: Türen, Öffnungen oder zugemauerte Durchgänge. Diese markiert sie mit gezielten baulichen Eingriffen oder nimmt sie in Modellen und Filminstallationen auf, um Vorhandenes zu betonen oder nicht Sichtbares ans Licht zu bringen. Vor allem ihre Einbauten sind dabei wesentlich durch einen Moment der Flexibilität gekennzeichnet und pendeln zwischen den Polen von Öffnen und Verschließen.

Malte Urbschat (geb. 1972): Malte Urbschats Arbeiten wirken auf den ersten Blick improvisiert und seltsam grob – als habe jemand gefundene Reste roh und relativ willkürlich zusammengezimmert. Bei genauerem Hinsehen entpuppen sie sich allerdings als genau durchdachte Anordnungen. Thematisch kreisen sie in unterschiedlicher Form um das Thema der Wahrnehmung von Welt, der Konstruktion neuer Wirklichkeiten auf der Basis von Vorgefundenem oder der Beschreibung unterschiedlicher körperlicher Zustände.

Janneke de Vries: geb. 1968, lebt in Hamburg Freie Kritikerin, Autorin und Kuratorin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kunstverein in Hamburg Katja Schroeder: geb. 1974, lebt in Frankfurt am Main Kuratorin am Frankfurter Kunstverein

Pressetext

only in german

Landungsbrücken
im Rahmen von Interna 1 - ein Projekt von Katja Schroeder
kuratiert von Janneke de Vries, Hamburg

mit Daniel Maier-Reimer, Karolin Meunier, Patrick Rieve, Hanna Schwarz, Mirjam Thomann, Malte Urbschat