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Wie kein anderes Land symbolisiert Russland die Schnittstelle zwischen Europa und Asien. Mit seiner wechselvollen Geschichte, seiner reichen Kultur und Natur bleibt es ein großes Rätsel. Doch Rätsel machen einen Gegenstand für Künstler attraktiv.

Die Niederländerin Ine Lamers und die Deutsche Martina Wolf haben in den letzten Jahren Russland zum Schwerpunkt ihres Schaffens gemacht. Beide arbeiten im Medium Video – doch auf ganz unterschiedliche Weise.

Für ihren Film „Ustala“ (russ. Müde) reiste Ine Lamers in die Stadt Togliatti, die in den 1950er Jahren als Symbol des kommunistischen Fortschritts aus dem Boden gestampft wurde. Damals löste die Inbetriebnahme des gewaltigen Wasserkraftwerks Kuibyschew einen Boom der Industrialisierung aus und Togliatti mit seinem Shiguli-Autowerk stand für das bessere Leben. Zwanzig Jahre nach dem Ende der Sowjetunion sind die Utopien geplatzt und die Vorzeigemetropole liegt im ökonomischen wie kulturellen Niemandsland. Ine Lamers agiert in einem Grenzbereich zwischen Realität und Inszenierung, zitiert die heroische Vergangenheit des Ortes und dessen Trostlosigkeit. Desillusionierung scheint mit den Händen greifbar zu sein und dennoch strahlt der Film eine melancholische Poesie aus, die an große russische Literatur erinnert.

Auch Martina Wolf ist der sowjetrussischen Vergangenheit auf der Spur. Dabei arbeitet sie mit bewegten Bildern fast ohne Bewegung. Ihre langen Einstellungen wirken wie Gemälde, von Zufall und Kamerastandort komponiert. Gibt es dramatische Momente, so sind diese gefunden - wie etwa das Farbspiel auf der marmornen Leninbüste im Leningrader Bahnhof in Moskau. Anders als in anderen postkommunistischen Ländern hält sich in Russland die Sehnsucht nach Sowjetzeiten stärker - Denkmäler wurden nicht flächendeckend abgebaut, der Stolz auf die Oktoberrevolution und den Sieg des Großen Vaterländischen Krieges eint nicht nur die Kriegsveteranen. Seit einigen Jahren wird der Tag des Sieges am 9. Mai wieder auf dem Roten Platz zelebriert und die Stadt Moskau zeigt sich im vollen Fahnenschmuck. Eine solche Situation fängt Martina Wolf mit dem Video „Tag des Sieges“ ein und führt sie kommentarlos vor. Eine große Werbetafel allerdings funktioniert als Schnittstelle zum kapitalistischen Alltag, als Projektionsfläche realer Sehnsüchte, die von der postkommunistischen Romantik nur zum Teil anästhesiert werden.

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Ine Lamers, Martina Wolf
KUDA / WOHIN - Gegenwart Russland
Kurator: Susanne Altmann