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Kunstfehler – Fehlerkunst

Der Herr: „Es irrt der Mensch so lang er strebt.“ Mephisto: „Wenn du nicht irrst, kommst du nicht zu Verstand!“ Johann Wolfgang von Goethe, Faust, Prolog im Himmel

Irren ist menschlich und aus Erfahrung wird man klug, sagt man. Schon Goethe wusste, dass uns der positive Umgang mit unseren Fehlern fehlt. Denn das Fehlerhafte und der Irrtum werden nicht selten tabuisiert und als individuelles oder gemeinschaftliches Versagen gebrandmarkt, obwohl sie oft jene Schrittmacher sind, die zu gesellschaftlichem Umdenken und qualitativen Veränderungen führen. Ohne sie ist keine Entwicklung möglich. Die holprigen, doch nie ziellosen Schleichpfade der biologischen und der kulturellen Evolution sind gesäumt von Versuchen und Irrtümern. Motor ihres steilen Aufstiegs ist die Inkaufnahme von Fehltritten. Dennoch wünschen wir uns nichts sehnlicher als eine perfektionierte „Null-Fehler-Kultur“. Steckt die aber nicht auch voller Strapazen und Fehlschläge, sodass man ebenso von einer Irrtumsgesellschaft sprechen könnte? Führt uns nicht gerade diese unvollendete Welt des Fehlerhaften, gepaart mit einem fröhlichen Eingeständnis eigener Fehlertauglichkeit, zu jenen Auswegen und kulturellen Anknüpfungspunkten, über die sich all die Geschichten des Scheiterns neu für uns erschließen?

Der Kunstfehler ist ein Begriff aus der Medizin, dem etymologisch zugrunde liegt, dass die ärztliche Behandlung nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft (im Lateinischen „de lege artis“, im Englischen „the state of the art“ – „nach den Regeln der Kunst“) ausgeführt werden muss. Vielleicht liefern die Regeln der Kunst aber auch die Bausteine für jene letzte Bastion, die sich nicht scheut vor würdevollem Scheitern, lustvollem Irren, leidenschaftlichem Versagen, dem Reiz der Niederlage: Nicht die Wissenschaft oder das Handwerk, sondern die Kunst ist das Paradies für Genies, der letzte Zufluchtsort für Versager, an dem Misslingen Aufbruch wird.

Der Kunstfehler oder das fehlgeschlagene Kunstprojekt zeitigt – ob vorsätzlich erdacht oder unbeabsichtigt – nicht selten das schlüssigere Resultat, wenn es Idee, Versuchsanordnung, Prototyp, Beschreibung, Simulation bleibt. Spannend am lediglich erdachten, nie begonnenen oder vollendeten Werk kann z.B. sein, dass es Einblicke in den Schöpfungsprozess gewährt. Künstler, die Genugtuung dabei empfinden, in einem Projekt ihr Scheitern zu thematisieren, konnten sich ebenso für das Atelierprogramm bewerben wie Künstler, die sich in ihrem Vorhaben mit dem Scheitern und Fehlerhaften per se auseinandersetzen möchten.

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Kunstfehler – Fehlerkunst

Künstler: Matthias Böhler & Christian Orendt, Daniel Buren, Chris Johanson, Dani Karavan, Mischa Kuball, Peter Land, Lutz / Guggisberg, David Mannstein, Tracey Moffatt, Eva-Maria Raschpichler, Peter Santino, Gregor Schneider, Roman Signer, Mans Wrange