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Was ist Krieg? Warum entsteht ein Krieg? Wer führt ihn? Warum lernen die Menschen nicht aus den Fehlern, dem abgründigen Grauen, den erfundenen Kriegsgründen, den perfiden Allianzen, den verdeckten Intrigen und geheimen Machenschaften einiger weniger, die sich über die Jahrhunderte wiederholen?

Diese Fragen kann eine Ausstellung nicht beantworten. Noch weniger kann sie oder Kunst tatsächliche gesellschaftliche Veränderungen durchsetzen. Aber sie kann den Versuch unternehmen, das Denken derjenigen zu beeinflussen, die sich mit den Kunstwerken auseinandersetzen, indem sie zeigt, wie die Auswirkungen von Kriegen aussehen.

Während es seit 2003 zu einer vermehrten Ausstellungs- und Publikationstätigkeit zu dem Komplex „Terror“ oder „Krieg gegen den Terror“ in Folge des 11. Septembers gekommen ist, gibt es kaum Ausstellungen oder Publikationen zur condition humaine in Zeiten global beobachteter Kriegshandlungen. Die AZKM bildet mit der Ausstellung zum Thema Krieg einen Resonanzraum, in dem die Folgen und Auswirkungen kriegerischer Ereignisse für das Individuum, Gruppen und Gesellschaften des 20. und 21. Jahrhunderts anhand von Arbeiten von ca. 10 zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern sichtbar und bewusst werden.

Seit es Kriege gibt, werden sie von (Medien-)Berichten begleitet. Neu ist seit dem Vietnam-Krieg (1946–1975) die live-Berichterstattung im Fernsehen und Radio, man spricht auch vom „living-room-war“. Heute herrscht ein Übermaß an Informationen in analogen und digitalen Medien zu allen Ereignissen rund um den Globus vor, häufig in Echtzeit. Aber nicht nur die Nachrichten erreichen einen non stop und widersprechen sich, sondern auch die – kriegerischen – Konflikte selbst sind hoch komplex und von vielschichtigen und nie versiegenden Interessen geleitet, wie wirtschaftlichen Profit, Erlangung oder Festigung von Machtstrukturen, Durchsetzung politischer Ziele, religiöser Fundamentalismus oder nationale Ehre. Während also in Medienberichten vor allem statistische Aufzählungen von Schäden, Opfern und Waffen sowie Manöverkritiken vorgenommen werden (embedded journalism), werden die kurz-, mittel- und langfristigen Folgen für die Bevölkerung und das Land höchstens in ausführlicheren Hintergrundberichten problematisiert. Die scheinbar sichere Distanz, die man am Fernseh-Gerät oder beim Nachrichtenlesen noch aufrecht erhalten kann, wird von den künstlerischen Arbeiten für einen Moment aufgehoben, um eine Reflektion auszulösen.

Die ausgestellten Künstlerinnen und Künstler haben einen unterschiedlichen Erfahrungshintergrund: mal herrscht stärker eine Innenperspektive als direkt Betroffener oder Überlebender vor, mal mehr die Außenperspektive als empathischer Beobachter oder als politisch reflektiertes Individuum, das die Involviertheit des eigenen Landes in ein Kriegsgeschehen auf vielen Ebenen kritisch hinterfragt. In dieser Ausstellung wird der Fokus auf das persönliche, das private Erleben des Krieges gelenkt. Stellvertretend für die vielen involvierten Individuen zeigen die beteiligten Künstler ihre subjektive Wahrnehmung der Kriegsereignisse und -folgen, ihren subjektiven Schmerz oder scheinbar wahnsinnigen Umgang mit dem Erlebten.

Das Ausstellungskonzept sieht Arbeiten vor, die eher zurückhaltend und nachdenklich den Komplex „Krieg“ behandeln. Die ausgewählten internationalen zeitgenössischen Künstlerinnen und Künstlern thematisieren den Vietnamkrieg, den Nah-Ost-Konflikt, die Jugoslawienkriege sowie die Kriege im Irak und in Afghanistan und ihre Folgen. Häufig wird auf poetische Weise auf eine Erfahrung hingewiesen. Erst auf den zweiten Blick wird das Grauen vorstellbar, bleibt aber selbst zum Teil unsichtbar. Es ist keine laute Ausstellung, die mit dem Schock spielt, die oberflächlich Schrecken und Empörung beim Betrachter hervorruft. Es soll kein schnelles Einordnen und Vergessen möglich sein, sondern es sind Werke zu sehen, die nachhaltig und umso intensiver wirken: Das Unheimliche und Unbegreifbare eines Krieges spielt sich auch in den Köpfen der Betrachter ab.

Künstlerinnen und Künstler Lida Abdul (geb. in Afghanistan, lebt in USA) Marcel Dzama (geb. in Kanada, lebt in USA) Lukas Einsele (Deutschland) Parastou Forouhar (geb. in Iran, lebt in Deutschland) Ori Gersht (geb. in Israel, lebt in Großbritannien) Barbara Hlali (Deutschland) Jenny Holzer (USA) Emily Jacir (geb. in Palästina, lebt in Palästina und USA) Sigalit Landau (Israel) Randa Mirza (Libanon) Jean-Gabriel Périot (Frankreich) Stephen Prina (USA) Martha Rosler (USA) Gil Shachar (geb. in Israel, lebt in Deutschland) Helmut Smits (Niederlande)

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Krieg / Individuum
Gastkuratorinnen: Susanne Düchting, Julia Wirxel

Künstler: Lida Abdul, Marcel Dzama, Lukas Einsele, Parastou Forouhar, Ori Gersht, Barbara Hlali, Jenny Holzer, Emily Jacir, Sigalit Landau, Randa Mirza, Jean-Gabriel Periot, Stephen Prina, Martha Rosler, Gil Shachar, Helmut Smits