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Korpys / Löffler. PERSONEN, INSTITUTIONEN, OBJEKTE, SACHEN
02.12.2017 - 18.02.2018

Seit den frühen 1990er Jahren untersucht das international bekannte Künstlerduo Korpys/Löffler die Wirkmechanismen medial vermittelter Bilder und ihre Inszenierungsstrategien. Eine wesentliche Motivation ihrer künstlerischen Arbeit ist dabei die Hinterfragung des postulierten und gemeinhin akzeptierten Wahrheitsgehalts dieser Inszenierungen. Ihr stellen sie neue Annäherungsmodelle entgegen. Mit einem eng verwobenen, thematischen Parcours durch die Räume der Kunsthalle Tübingen führt die Ausstellung wichtige Arbeiten der letzten zwanzig Jahre und jüngst entstandene Filminstallationen in einer großen Werkschau zusammen.

Die Ränder des Geschehens beobachten und im scheinbar Nebensächlichen Indizien zu sammeln, um Muster und Machtstrukturen hinter dem Vordergründigen erkennen zu können, ist eine durchgängige Arbeitsmethodik von Korpys/Löffler. Seit über 25 Jahren befassen sich beide mit den Methoden moderner Überwachung, dem geheimen Wirken und offiziellen Repräsentationen von staatlicher und institutioneller Macht, ebenso wie den Herausforderern gesellschaftlicher Oppositionen und der Protestkultur.

Ausgangspunkt ihrer Arbeiten sind intensive, oft investigative Recherchen und ungewöhnliche Filmprojekte, die mittels verschiedenster Medien und begleitender Objekte aufgefächert und erweitert werden. So entwickeln sie ungewöhnliche Rauminstallationen, in denen das jeweilige Thema durch ständige Medien- und Seitenwechsel umkreist wird. Korpys/Löffler kombinieren dabei Dokumentarisches und Fiktionales, Biografisches und Literarisches. Es entstehen raffiniert vertonte und ungewöhnlich montierte Filmproduktionen. Jenseits der oft medialen, bildgewaltigen Darstellungsstereotypen und Imagekampagnen finden sie dabei neue und auf Erfahrung und Zeugenschaft beruhende Bilder und alternative Erzählstränge.

Macht kann in den Augen der Künstler unterschiedliche Gesichter haben. So filmten sie bei Auftritten des amerikanischen Präsidenten George W. Bush (2002) oder Papst Johannes Paul II. (2004), schufen Portraits über den Präsidenten des BDI (2000) oder die beiden verstorbenen Gründer des größten deutschen Lebensmitteldiscounters (2013). Macht zeigt sich in Personen Institutionen Objekten Sachen (2014), wie auch der Titel einer jüngeren Videoinstallation lautet. Dieser rückt zugleich die von Horst Herold (*1923) gegründete, gleichnamige Datenbank PIOS in das Blickfeld; ein bahnbrechend geltendes Instrument zur Terrorismusbekämpfung in der BRD der 1970er Jahre. Damals stattete der Präsident des BKA sein Institut unter strengster Geheimhaltung mit Computern und Datenbanken aus, um möglichst vielen Daten der gesamten Bevölkerung zu sammeln und auszuwerten, um dann mittels Abweichungs- und Ausschlusskriterien nach möglichen Tätern zu fahnden. Auch die neuen Netzwerke und Suchmaschinen des durchdigitalisierten 21. Jahrhunderts, und vor allem die staatlichen Überwachungssysteme wie PRISM und TEMPORA, folgen noch heute dem Grundgedanken der damals entwickelten negativen Rasterfahndung, und das in gänzlich globalen Dimensionen.

Die Ausstellung beginnt mit umfangreichen Werkkomplexen zu dieser Zeit der späten 1970er Jahre wie dem Konspirativen Wohnkonzept (1998 – 2001/2017), Bundesanwaltschaft (1999) oder Sandhaufen (1996/2017) und endet mit aktuellen Recherchen zur Entdeckung einer „Konspirativen Wohnung“ in Tübingen 1985. Neben den Filminstallationen Atom (2010), Nuclear Football (2004) und Gesang der Jünglinge (2009) sind neuere mehrkanalige Filmproduktionen zu sehen. So portraitierten die Künstler die Räumlichkeiten der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und den streng geheimen, unzugänglichen Neubau der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes in Berlin, der sukzessiv in Betrieb genommen wird. Dabei wenden sie Methoden von Überwachung nicht auf Personen, sondern auf die Institutionen ihrer Herkunft, selber an. Bereits in frühen Projekten der späten 1990er Jahre hatten sich Korpys/Löffler der filmischen Visualisierung machtpolitischer Architekturen wie dem Hauptquartier der UNO oder dem World Trade Center in New York, dem Pentagon in Washington oder dem NATO-Standort in Brüssel gewidmet.

Andree Korpys (1966) und Markus Löffler (1963) leben in Berlin und Bremen, lehrten von 2007-2009 an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und haben seit 2009 eine Professur an der Hochschule für Künste in Bremen inne.

Das Begleitprogramm zur Ausstellung widmet sich hochaktuellen Themen wie Datenschutz, Geheimdiensten, Bildjournalismus und Medienwirklichkeiten.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in Kooperation mit dem Kunstverein Braunschweig und dem Hartware MedienKunstVerein in Dortmund, wohin die Ausstellung 2018 weiterwandern wird.

Kuratorin: Dr. Sabine Maria Schmidt
Konzeption: Dr. Holger Kube Ventura, Dr. Sabine Maria Schmidt