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Die Entdeckung, dass ein Fluchtpunkt konstruierbar und dadurch Raumillusion möglich ist, gehört zu den folgenreichsten und eigenständigsten Schritten der europäischen Kunst, deren weltweite Verbreitung dadurch beschleunigt wurde. Bis heute bestimmt dieser letztlich aus der Antike stammende Wettbewerb eines artifiziellen Mimesis-Apparates nicht nur unsere Wahrnehmung bis hin zu Träumen perfekter Virtualität, sondern definiert auch die Bedeutung eines Bildes.

Vor diesem Hintergrund muten die Bilder des 1967 in Kalkutta geborenen Kiron Khosla wie transhistorische Streifzüge durch die überwachsenen Schlachtfelder eines weltweiten ‚Bilderstreits’ an. Diese Malerei eignet sich nicht zum Überblick, man muss sie zuerst im Einzelnen betrachten. Dabei schadet es nicht, die verschütteten Reste des eigenen bürgerlichen Bildungsreservoirs zu aktivieren, um die zahlreichen Zitate zumindest ansatzweise zuordnen zu können. So trifft in No Compulsion (2005) beispielsweise ein Blumenstrauß Odilon Redons auf das in Grisaille überführte S/W- Foto eines Londoner DJs in lässiger Sixties-Pose, während von oben links ein berittener Krieger vor hingetupften Wolken, den Blick ins Nichts unter sich gerichtet, heranprescht. Die Illusion eines Horizonts wird durch ihr kunsthistorisches Gegenteil, den raumlosen Goldgrund mittelalterlicher Andachtsbilder erzeugt, und asiatisch anmutende Texte sowie eine in lateinische Schrift und japanisch aussehende Ligatur zergliederte Künstlersignatur vervollständigen das Bild. Ganz ähnlich setzen sich Have a Cup of Tea und Relax (beide 2005) zusammen, wo im ersteren eine etwas herbe Diana vor einem den Bildraum ziemlich abrupt beendenden Ornament zur Jagd aufbricht, während sich auf letzterem ein Chevalier des 17. Jahrhunderts im Nebel zu verlieren droht.

Die vielen Gestalten mit ihren exakten Details, von Khosla in krausen Arrangements voll skurriler Gegenüberstellungen kombiniert, verlangen nach visueller Aufmerksamkeit. Schnell ist der Betrachter in historische Verwicklungen involviert, in denen man sich ziellos verlieren kann. Interessiert man sich dagegen nur für das Vorhandensein und nicht für die Herkunft bestimmter Motive, gelangt man zu einer Art perfekten Oberfläche, zu einem Muster auf Grund, das jegliche tiefere Bedeutung negiert. Für diese Sicht spräche immerhin, dass nicht wenige Bilder Khoslas trotz ihrer realistischen Motive in beliebiger Richtung aufgehängt werden können. Dass die in der Galerie Christian Nagel in Berlin gezeigten Bilder allesamt verkappte Selbstporträts des Malers enthalten, muss daher wohl als augenzwinkernder Hinweis auf den Mythos des sinnstiftenden Künstlers verstanden werden.

Kiron Khosla wurde an der Central St. Martin´s School of Art and Design in London ausgebildet. Er lebt und arbeitet in Köln.

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