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24.09.2022 – 05.02.2023
Eröffnung: Fr 23.09.2022, 19 Uhr

Kerstin Brätsch
Die Sein: Para Psychics

Während des ersten Corona-Lockdowns in New York überführte Kerstin Brätsch ihre raumgreifende und kollaborative Arbeitsweise in einen nach innen gerichteten Prozess des täglichen Zeichnens. Im Zeitraum von Januar 2020 bis März 2022 entstanden durch die intensive Auseinandersetzung mit Mystik, Tarot, Pflanzenmedizin und Gottheiten die rund einhundert Mandala-ähnliche Zeichnungen ihrer jüngsten Serie Para Psychics. Die Ausstellung Die Sein: Para Psychics im Ludwig Forum Aachen präsentiert erstmals alle hundert Zeichnungen dieser Serie zusammen in einer ortsspezifischen Installation aus eingefärbten, den Lichteinfall manipulierenden Fensterscheiben und transparenten Raumstrukturen. Verteilt über die Museumswände und Metallstrukturen erinnern die Zeichnungen an ausgelegte Weissagungen, die die Besucher*innen deuten und durchwandern können.

PSYCHICS UND PARA PSYCHICS
Der Titel der Serie geht zurück auf ältere Arbeiten von Brätsch, die sogenannten Psychics (2005–2008), für die sie zahllose Wahrsagerinnen in New York aufsuchte. Die Ergebnisse der Sitzungen bildeten schließlich den Ausgangspunkt für zahlreiche Ölmalereien – gemalte, provisorische Wahrheiten, die sich als Kippfigur zwischen Ironie und Authentizität bewegen. In Serien wie den Psychics, den darauffolgenden Unstable Talismanic Renderings (seit 2014), den Blocked Radiants (2011) oder den Fossil Psychics (Stucco Marmo) (seit 2017) war es jedoch die Materialität der Arbeiten selbst oder die mit ihr verbundenen Herstellungsverfahren, die Bezüge zu Fragen des Animismus in der Malerei eröffneten: Durch den Aufbau von Bildern aus Tropfen (Marmorierungen), durch wie Fossilien wirkende ‚versteinerte‘ Pinselstriche (Stuccos) oder durch die ständige Vervielfältigung der eigenen künstlerischen Identität unter Einbeziehung alter Handwerke und ihrer Meisterinnen (oder im Fall der Psychics durch das Malen abstrakter Porträts nach tatsächlichen Sitzungen mit Hellseher*innen).

Nach vielen Jahren der Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Handwerkerinnen kehrt Brätsch mit den Para Psychics diesen kollaborativen Impuls jedoch um. Die Mittel zur Erkundung von alternativen Sphären, Zeitlich- und Persönlichkeiten generiert sie nicht durch das Einbeziehen anderer oder die Aneignung jahrhundertealter Verfahren, sondern (ausgelöst durch die eigene Lockdown-bedingte Isolierung) durch / para die Vielfältigkeit ihrer selbst. Die Zeichnungen, gefertigt aus einfachsten, unmittelbar zugänglichen Materialien wie Buntstiften und Papier, stellen somit persönliche Verdichtungen des unfreiwilligen Innehaltens während der Pandemie dar. In ihrer formalen Bezugnahme auf weissagende Kartenlegungen öffnen sie jedoch auch einen ständigen Übergangsprozess des Wahrnehmens und Da-Seins.

ÜBER DIE KÜNSTLERIN
Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre hat die in Berlin und New York lebende Malerin Kerstin Brätsch eine unverwechselbare Arbeitsweise entwickelt, mit der sie das Medium Malerei über den Einbezug von Performances, künstlerischen Aktionen und Installationen stetig erweitert und immer wieder aufs Neue befragt und interpretiert. Neben der regelmäßigen Zusammenarbeit mit anderen Künstler*innen wie Adele Röder (DAS INSTITUT), Debo Eilers (KAYA) oder Ei & Tomoo Arakawa (UNITED BROTHERS) greift sie zusätzlich auch auf traditionelle, zum Teil in Vergessenheit geratene kunsthandwerkliche Verfahren zurück, um die metaphysischen und animistischen Qualitäten von Malerei auf humorvolle Weise freizulegen.

Kuratiert von Eva Birkenstock

Kerstin Brätsch
Die Sein: Para Psychics
24. September 2022 – 5. Februar 2023
Dienstag – Sonntag, 10 – 17 Uhr, Donnerstag, 10 – 20 Uhr
Ludwig Forum Aachen Jülicher Straße 97–109 52070 Aachen