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Ab 7.5. wieder geöffnet!
Verlängert bis 23.8.

Katinka Bock | Rauschen
06.03.2020 - 17.05.2020

In der Ausstellung »Rauschen«, die vom 6. März bis 17. Mai2020in der Kestner Gesellschaft zu sehen ist, erkundet die Künstlerin Katinka Bock (*1976 in Frankfurt am Main, lebt und arbeitet in Paris) Übergänge und Grenzbereiche von materiellen, historischen, sozialen und politischen Räumen. Neben 11 Skulpturen und Installationen aus natürlichen Materialien wie Keramik, Bronze oder Holz, greift sie mit dem zentralen Werk der Ausstellung, der monumentalen gleichnamigen Skulptur, den historischen Ort des angrenzenden Anzeiger-Hochhauses auf und formt daraus einen neuen skulpturalen Raum: die Außenhaut der amorphen neun Meter großen Skulptur »Rauschen« (2019) besteht aus den originalen Kupferplatten, die von 1928 bis 2019 die Kuppel des Wahrzeichens von Hannover bedeckten. Die Zeitung wird zum Hauptmotiv der Ausstellung, in dem die Künstlerin auch das Anzeiger-Hochhaus und die Zeitung selbst zum Ausstellungsraum macht. Die Schau, die im Herbst vergangenen Jahres im renommierten Ausstellungshaus Lafayette Anticipations in Paris zu sehen war, kehrt damit zurück an ihren Ursprungsort.

Die Parameter Zeitlichkeit und Raum prägen die künstlerische Praxis von Katinka Bock: »Der interessanteste Teileines Raumes ist sein Rand, seine Grenze zu einem anderen Raum.« Mit diesen Worten beschreibt die Künstlerin ihren Arbeitsprozess, in dem sie häufig Außen-und Innenraum miteinander verbindet und die Trennung von Ausstellungsort und Produktionsstätte aufhebt. Ihre Skulpturen und Installationen können den Eindruck von Flüchtigkeit erwecken oder wie ein die Zeiten überdauerndes Denkmal wirken.

Die Form der Skulptur »Rauschen« ist das Ergebnis einer Technik, die Katinka Bock immer wieder anwendet: Sie wickelt Objekte in Keramikplatten ein, die dann im Ofen gebrannt werden. Das Objekt verbrennt, so dass ein Hohlraum entsteht, dessen Volumen nur durch die Keramik sichtbar bleibt. »Rauschen« ist die Vergrößerung einer auf dieser Art entstandenen Skulptur. Die historischen Kupferplatten legen sich wie eine Haut um einen Körper, der nicht mehr existiert und bilden einen neuen Raum. Aufgrund ihrer enormen Größe ist die Skulptur für die Betrachter nie im Ganzen zu erfassen, so dass sie aus verschiedenen Blickwinkelnunterschiedliche Assoziationen hervorrufen kann. Im Zusammenspiel mit ihrem Titel mag der hohle Körper der Skulptur beispielsweise wiedas Gehäuse einer Meeresschnecke aussehen, in der man, im Gegensatz zur kindlichen Vorstellung, nicht das Meer, sondern nur sich selber rauschen hören kann.»Rauschen« kann auch als Verweis auf die Herkunft des Materials gelesen werden: das mediale Rauschen von rastlosen Nachrichten, das uns alltäglich umgibt und das Geräusch der Offset-Druckermaschinen, die niemals stillstehen. Auchdie Zeitung selbst fungiert wie eine Membran, die uns einerseits mit der Welt verbindet und andererseits von ihr abschirmt.

Ein Merkmal von Katinka Bocks Arbeitsweise ist die Auseinandersetzung mit dem Ausstellungsort, den sie in diesem Fall aufdenehemaligen Konferenzraum im Anzeiger-Hochhaus erweitert. Dort wird die Skulptur »Gisant« (2019) präsentiert, die einen abwesenden Körper durch Schichtung von Keramikplatten um einen Hohlraum sichtbar macht. Auf dem Boden ausgestreckt liegend erinnert die Skulptur an ein ruhendes Wesen oder an die verletzlichen Körper in Städten, die sich im Schlaf mit Zeitungsblättern bedecken. Im Gegenzug wird der Konferenztisch, der eigentlich an dieser Stelle steht, in der Kestner Gesellschaft präsentiert. Der Tischvon 1929, an dem traditionell die Redaktionskonferenzen stattfanden, wird hier von Kakteen aus Bronze genutzt.

Das Hochhaus, das als Verlagsgebäude für die Zeitung Hannoverscher Anzeiger entstand, gilt als Wahrzeichen der Stadt Hannover. In kurzer Zeiterrichtete der Architekt Fritz Höger 1927-1928 das aufsehenerregende, 51 Meter hohe Gebäude, das unter anderem die Druckerei und Redaktion der Zeitung beherbergte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden hier die Nachrichtenmagazine Der Spiegel (1947) und der Stern (1948) gegründet. Im Zuge der Restaurierung wurde die Kuppel des Verlagsgebäudes entkleidet und das historische Material der Künstlerin übergeben, die den originalen Zustand erhielt, so dass die Spuren der Vergangenheit darauf deutlich zu sehen sind. Der über die Jahre entstandene Grünspan hat die Platten, je nach Lage auf der Kuppel, von Dunkelgrün über Türkis bis nahezu weiß gefärbt, die Vogelkrallen haben unregelmäßige Rillen im Kupfer hinterlassen und auch der Krieg ist nicht spurlos vorbeigegangen. Stellenweise sind Ausbesserungen zu erkennen, die sich wie ein Pflaster auf eine Wunde legen.

Katinka Bock wurde 2019 für den renommierten Prix Marcel Duchamp nominiert. Ihre Arbeiten werden in zahlreichen internationalen und nationalen Institutionen ausgestellt, darunter: Kunstmuseum Winterthur (2018), Lehmbruck Museum, Duisburg (2018), Museo El Eco, Mexico City (2016), Henry Art Gallery Seattle (2014), MAMCO, Genf(2013), Centre Pompidou, Paris (2012), Kunstmuseum Stuttgart (2010).

Das Ausstellungsprojekt wird in Kooperation mit der Stiftung Lafayette Anticipations, Paris realisiert.

Die Ausstellung wird freundlich unterstützt von der Stiftung Niedersachsen und vom Förderkreis der Kestner Gesellschaft sowie dem Bureau des arts plastiques des Institutfrançais und des französischen Ministeriums für Kultur.

Kuratorinnen der Ausstellung Kestner Gesellschaft: Lea Altner und Christina Végh
Kurator der Ausstellung Lafayette Anticipations: François Quintin