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Karsten Botts großangelegtes Sammel-Projekt birgt das Utopische und es zeugt von obsessiver Energie. Es ist so nah am Leben, dass ein Ausweichen kaum möglich ist. Der in Frankfurt am Main lebende Künstler sammelt seit jeher Alltagsdinge aller Art. Sein „Archiv für Gegenwarts-Geschichte“, das seit 1988 besteht und in dem er die Gegenstände archiviert und katalogisiert, beherbergt mittlerweile über eine halbe Million Objekte aus dem täglichen Leben. Bei den gefundenen, gekauften oder dem Müll entrissenen Objekten, handelt es sich um alles, was Menschen in Gebrauch haben oder hatten: Werkzeug, Verpackungen, Klodeckel, Brillenbügel, Zahnbürsten, Zeitschriften, Bimssteine, Eierwärmer, Schneebesen, Radio, Joghurtbecher usw. Sie können alt, neu, abgenutzt, defekt, intakt, beschädigt oder voller Gebrauchsspuren sein. Es sind vor allem Dinge, die wir als wert- oder kulturlos empfinden, die in Karsten Botts Archiv, in dem keine (Werte-)Hierarchie existiert, Eingang finden. Der Künstler entreißt die Gegenstände dem Kreislauf von Produktion, Erwerb, Gebrauch, Verschrottung und fügt sie in eine fortlaufende Enzyklopädie, in der die Dinge einen Wert um ihrer selbst Willen erlangen.

Karsten Bott interessiert zugleich, welche Dinge die Menschen brauchen und was sie tatsächlich damit machen oder welche Beziehung die Objekte untereinander haben und welche Rolle sie innerhalb eines Terrains wie der Küche oder dem Bad spielen. Dieser Aspekt kommt als einprägsames Bild in den Ausstellungspräsentationen zum Tragen, in denen der Betrachter stets mit einer schier unendlichen und kaum fassbaren Anzahl von Gegenständen konfrontiert ist. Die Objekte werden in Vitrinen, Regalreihen oder flächendeckend auf dem Boden gezeigt. Sie werden nach Themen, Gruppen oder Typen wie Spielzeug oder Zeitschriften sortiert. Auch übergeordnete Themen wie Glaube, Krieg oder Familie werden als Bereich gefasst. Die Zuordnung der Objekte ist dabei nicht zwingend – ein Spielzeugpanzer ließe sich sowohl in den Kategorien Spielzeug als auch Krieg einordnen.

In der Alltäglichkeit der Gegenstände verweisen sie den Betrachter nicht auf fremdes sondern auf das eigene Leben. Für Karsten Bott stellen sie „Geschichtsdokumente der Menschheit“ dar, die nicht erst vergraben werden müssen, damit später die Archäologen sie als wertvoll erachten. In ihrer Gesamtheit geraten Karsten Botts Präsentationen zu einer Bestandsaufnahme des Lebens und einer in die Gegenwart vorgezogenen Archäologie.

Die Ausstellung in der Kunsthalle Mainz zeigt die bisher größte Präsentation des Archivs von Karsten Bott. Annähernd 300.000 Gegenstände werden, auf einer Bodenfläche von 600 Quadratmetern ausgebreitet, zu sehen sein. Der Besucher bewegt sich auf Stegen buchstäblich über den Dingen.

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Karsten Bott