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Der Titel der Ausstellung „Very Lost Highway" spielt an auf David Lynchs Film „Lost Highway" (1997)– genauer gesagt auf eine Analyse desselben durch den slovenischen Soziologen Slavoj Zizek. Zizek deutet den Film unter Rückgriff auf Lacan sowohl psychoanalytisch als auch postmodernistisch und berührt mit seinen Gedanken von Transgression und neuem (feministischen) Subjektivismus die theoretischen Ebenen, die auch Jutta Koether in ihren Arbeiten beschäftigen.

Koethers Parcours in „Very Lost Highway" hat dem Titel entsprechend etwas von einem Möbius-Band, das zu einem vorgestellten Rundgang einlädt, ohne die Verheißung einer (kunst-diskursiven) Auflösung zu erfüllen. Durch einen metallisch glänzenden Vorhang gelangt man in den Raum. Hier sind hölzerne Stellwände verteilt, die unterschiedliche Anzahlen und Anordnungen schwarzer Zeichnungen tragen. Die quasi-malerische Behandlung der Holzwände gibt den ganz ähnlichen Zeichnungen einen performativen Schub (Auftritt). Die ästhetische Nähe zwischen Zeichnungen und Präsentationsfläche bricht zusätzlich ihre Gravität: „Es geht um die Lücke als Nicht-Monolithisches, eher Vorgang als Architektur." (Jutta Koether) Gleichzeitig präsentieren schon die Zeichnungen ihre Insignien der counter-culture: ein dunkler Goth-Kosmos, der dem (globalen) New York style zwischen Kunst, Punk, Mode und Musik entpringt.

Nach/neben den Auftritten der Zeichnungen der große Auftritt der Gemälde auf der Bühne. Koethers neueste Gemälde sind schwarz und tauchen unter in eine Schicht aus liquid glass, einer dünnflüssigen, giftigen Schicht hochklaren Kunstharzes. In diese plane und das Bild des Raumes/des Betrachters reflektierende Schicht eingebracht sind Schichten von Malerei, rein, abstrakt, auch gegenständlich. Die schwarze, glänzende Oberfläche erinnert stark an Objekte eines Fetisch. Aber anders als Fetische sind Koethers schwarze Gemälde nicht passiv, sondern verhalten sich autonom und aktiv. Die Malerei besetzt einen Handlungsraum, erzählt, ist gekreuzt mit mehr oder weniger flachen Beigaben, Patches, Nieten, Fäden, Eisenketten.

Das Portrait-Format der Bilder lässt sie, ebenso wie die spiegelnden Oberflächen und die etwa türgroßen Stellwände der Zeichnungen, ein menschliches Maß annehmen, selbst wenn sie vollkommen gegenstandsfern sind. Diese Nähe zum Betrachter, die der hochartifiziellen Präsentation und der harten schwarzen Oberfläche zu widersprechen scheint, beweist die Breite der Möglichkeiten, die Koethers Malerei eröffnet: neverending reflexion von Hysterie bis Eleganz, von s&m bis theaterhaft. Im Zentrum der Inszenierung bleibt immer die Malerei: „Malerei als eigentlich unmögliche Plattform, die Existenz als kulturelles Wesen zu formulieren. Das schwarze Projekt ist das Ausforschen unterschiedlicher Formen, wie weit Gestik und Expressivität gehen können, Reduktion auf Schwarz als Möglichkeit, die anderen Aspekte zu erweitern. (Jutta Koether)

Stephan Strsembski