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Randerscheinung ist der Titel der zweiten Einzelausstellung von Judith Schwinn in der KUTTNER SIEBERT Galerie. Randerscheinung ist zudem der Titel einer Werkreihe ihrer neuen Zeichnungen, an deren Rändern die spärlichen Setzungen zu finden sind, während der Großteil des Papiers nahezu frei bleibt. Der Begriff beschreibt eine abseitige Verortung und zugleich eine Beiläufigkeit im Wertegefüge. Auf die Zeichnungen bezogen wäre das Zentrum eines Blattes der kompositorische Fixpunkt und dessen Rändern lediglich erzählerischem Beiwerk vorbehalten. Durch die großflächige Leere in ihren Zeichnungen unterläuft Judith Schwinn aber diese Erwartungen. Stattdessen drängt sich die Frage auf, ob das überwiegende Nichts dem nicht Greifbarem entspricht, dem die Künstlerin mit tastendem Strich zumindest näher zu kommen versucht, ob dem Abwesenden aus einer phänomenologischen Analyse ihr eigentliches Interesse gilt. Doch sind die zeichnerischen Setzungen wirklich nur bildhaftes Werkzeug, um dem nicht Sichtbaren einer existentiellen Erfahrung dennoch Gestalt zu verleihen? Ihr Strich wäre sodann ein Detail, dessen Gebilde zwar unverzichtbar, doch in seinem zeichnerischem Ausmaß, in der Analyse seiner Größe, Form und Farbigkeit nicht sonderlich wichtig ist. Folgt man dem Gedanken ihrer insignifikanten Gestalt, so ist dennoch offensichtlich, dass nur sie zur Lebendigkeit des Blattes beitragen. Erst in der Zerbrechlichkeit entfaltet sich die Bedeutung. Und sodann folgt das Eingeständnis, dass die Künstlerin zwar einer allgemeinen Unbestimmtheit, keinesfalls aber der absoluten Leere Gestalt verleiht. Die zarten Gebilde bedürfen einer mikroskopischen Nahsicht und das feine Geäst droht sich vor dem Auge aufzulösen: mit Blick auf den umgebenden Raum wirkt dieses Verhältnis auf wunderbar kunstvolle Weise lebensecht, weil sich die visuelle Kraft im selben Moment ihrer Betrachtung entzieht und ein Spannungsverhältnis mit der Gleichzeitigkeit widersprüchlicher Momente entsteht. Die Zeichnung ist Zeugnis eines spezifischen Moments und Spiegel eines Zustandes und in der tastenden Herangehensweise wird zugleich der Irrweg der Möglichkeiten thematisiert.

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Judith Schwinn
Randerscheinung