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Eröffnung am Freitag, 31.08.2007, 18 - 21 Uhr

Die Ordnungssysteme der in Berlin lebenden Künstlerin Jorinde Voigt (geboren 1977), erinnern im Grad ihrer Abstraktion, sowie in ihrer Ruhe und Konzentration, an diagrammatischen Zeichnungen, Tabellen und diagonale Linien aus der Minimal Art, etwa Arbeiten Hanne Darbovens. Und dennoch gibt es hier einen maßgeblichen Unterschied, der fast einen historisch paradigmatischen Charakter hat.

Zwar funktionieren sowohl Voigts, als auch Darbovens Systeme wie numerische Konzepte, die als Progressionen oder Reduktionen, wie musikalische Themen mit Variationen und Permutationen spielen. Beide Systeme verwenden serielle Darstellungsmethoden und drücken somit die Erkenntnis aus, dass ihr numerisches Konzept ad infinitum ausgedehnt werden kann. Dem Chaos des Möglichen begegnen beide mit einer Ordnung, die für sie zur täglichen, streng reglementierten Routine wird.

Und dennoch: Die Künstler der Minimal Art der 60er bis 80er Jahre, wie On Kawara und Darboven, arbeiteten gegen den „Verlust“ an, indem sie die Zeit rekonstruierten. Bei On Kawara ging es um Leben und Tod, oder konkreter: um sein Leben. Seine Kunst stellt vor allem dar, dass On Kawara gelebt hat, eine bescheidene faktische Aussage. Die Kraft seiner Arbeit liegt darin, dass ein jeder zukünftiger Mensch die Zeit und das Leben innerhalb seiner numerischen Systeme teilt.

Voigts Abstraktionen suchen nicht, eine Präsenz innerhalb der Zeitgeschichte zu erschreiben, sie sind keine Positionierung des Subjektes in den geschichtlichen Ablauf, nicht Ausdruck seiner Ohnmacht gegenüber diesen. Überhaupt scheint es nicht mehr um Geschichte zu gehen. Ganz im Geiste der Posthistorie konstruiert Jorinde Voigt vor unseren Augen das Nicht- Sichtbare, Kraft dessen unser Sein in die Wirklichkeit (Sichtbarkeit) gelangt. Die Idee der Unendlichkeit dient ihr vielmehr als Basis eines immer währenden Prozesses, der sich entfaltet, erweitert oder gar ins Negative implodiert. Mathematische Reihen sind, im Gegensatz zu ihrer Verwendung in der Minimal Art, nun nicht mehr das Persistieren des Individuums innerhalb ewiger, lebensfeindlicher Ordnungssysteme, sondern die Sichtbarmachung und im gleichen Zuge die Erzeugung von unregelmäßigen, dynamischen Prozessen, innerhalb der scheinbar chaotischen Kräfte, die auf Wachstum, Zeit und Leben einwirken.

Voigts Arbeiten liegt die Überzeugung zugrunde, dass alles was ist, immer ein Prozess, nie ein Resultat, von Spannungen, Ungleichgewichten und Disseminationen ist. Es gibt kein Sein, welches sich innerhalb des Ablaufs von Geschichte manifestiert, sondern vielmehr eine von Geräuschen ewig angefüllte Stille, in die Strukturelemente entstehen und vergehen. Unsere sinnliche Wahrnehmung und deren phantasmatische Aufladung, das mentale Bild und dessen Abstraktion, sind die Bausteine dessen, was wir Wirklichkeit nennen. Jorinde Voigt braucht keine epistemischen Ankerpunkte in den Fundamenten zeitgeschichtlicher Ewigkeit, sondern Knotenpunke und Kraftfelder, innerhalb derer sich Schneisen ziehen lassen, Strukturdynamiken, die das Unerwartete erzeugen und eine Welt, in der das Nicht-Sichtbare und das Mögliche ein zentrales Element des Wirklichen bilden.

Adina Popescu, Berlin

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The Systems of Order by Jorinde Voigt (Born 1977/ lives in Berlin) are reminiscent of diagrams and lists. With their degree of abstraction, calmness and concentration her works remind us of the diagonal lines in Minimal Art, e.g. works by Hanne Darbovens.Still, there is a prevailing difference of almost historically paradigmatic characters.

However, systems by Voigt as well as Darboven function as numeric concepts. They play with progression and reduction, employing musical themes as like variation and permutation. Both systems use serial ways of presentation. They get across, so that their numeric concept could be extended ad infinitum. Both contrast the chaos of possibilities with the order of a daily, strictly reglemented routine.

Nevertheless: Artists of the Minimal Art movement from the 60s to the 80s like Kawara and Darboven have worked against “loss” by reconstructing time. Kawara has been concerned with life and death, indeed his own life. In the first place, his art just states the sheer fall off Kawara being alive- a very modest statement. His work becomes powerful by every man being in the future having to share time and life within his numerical systems.

Voigt´s abstractions do not state a presence within factual time. They do not position the subject within history or express its faint. History does not seem to be an issue at all. Catching the spirit of post-history, Jorinde Voigt constructs the invisible in front of our eyes. Our being is disabled to become real, visible. Infinity seves as a base for an ongoing process, flourishing, expanding or exploding into the negative. Thematic sequences are used in contrast to Minimal Art. They are not longer about the persisting of the individuum within eternal, hostile systems. Now, they show and create irregular, dynamic processes within seemingly chaotic forces influencing growth, time and life.

Voigt´s works base on the idea, that all is a process of tensions, equalines and disseminations- never only a result. There is no being manifesting itself within the pace of history. There is only replenished eternally noisy quietness with elements. Developing and perishing. Our perception and phantasy, the picture in the mind and its abstraction are all part of what we call reality.

Jorinde Voigt does not need epistemic anchor points in the foundation of historic eternality; she uses knots and ereates fields of forces within vistas drawn through. Structural dynamics create the unexpected and set up a world in which the invisible and possible form the key element of reality.

Adina Popescu, Berlin

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Jorinde Voigt