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Mit der Ausstellung "Jonathan Meese: KÉPI BLANC, NACKT" setzt die Schirn ihre Reihe von Einzelpräsentationen aktueller Künstler fort, an deren Anfang die Installation "Doppelgarage" von Thomas Hirschhorn stand. Auch bei der Raumfolge von Jonathan Meese handelt es sich zum Teil um eine bereits bestehende Arbeit. Der Künstler hat das Werk aus der Hamburger Privatsammlung Falckenberg, das sonst nur einem sehr begrenzten Publikum zugänglich ist, erweitert und ihm einen neuen Namen gegeben. Es wird in der Schirn bis zum 12. April 2004 zu sehen sein.

"KÉPI BLANC, NACKT" ist die Kurzform des Ausstellungstitels, der in seiner gesamten Länge wie folgt lautet: "DR. NO’S DIAMANTENPLANTAGE, des PHANTOMMÖNCH’S PRÄRIEERZHALL, nahe den wässrigen GOLDFELDERN des DR. SAU, dabei die DSCHUNGELHAUT über die ZAHNSPANGE des erntefrischen GEILMÄDCHENS ,SAINT JUST‘. (DER PLANETENKILLER DR. FRAU)". Der Titel führt bereits mitten in das Meese’sche Universum. In einer Flut von Bildern, Wortkreationen, Texten und Objekten aller Art prallen Figuren und deren jeweilige Weltbilder aufeinander: Stanley Kubrick trifft auf Richard Wagner, Stalin begegnet Zardoz; Heidegger, Klaus Kinski, Hitler, Marquis de Sade, Mishima, Balthus, Romy Schneider, Dr. No, Jungfrauen und Busenwunder sind nur einige weitere Personen, die Meeses pseudopsychotische Welten bevölkern. In den Überblendungen von Mythos, Kunst und Politik verschwimmen die Grenzen zwischen den Begriffen. Meese begibt sich zwischen alle und alles und schafft in bewusster Überschreitung einen spezifischen Kosmos, der ebenso aus der Vergangenheit und Gegenwart seiner persönlichen Sphäre wie aus der Weltgeschichte schöpft.

Jonathan Meese, 1970 als Sohn deutsch-walisischer Eltern in Tokio geboren, hat seit 1998 mit raumgreifenden Installationen sowie mit Aktionen und Performances die Aufmerksamkeit der internationalen Kunstwelt auf sich gezogen. Die Installation "KÉPI BLANC, NACKT" in der Schirn Kunsthalle besteht aus einer sich immer weiter entwickelnden Raumfolge. Den Eingang bildet ein kleiner Raum mit nachgerade sakraler Atmosphäre, der wie eine ägyptische Grabkammer anmutet. Aus der meditativen Dunkelheit löst sich unter anderem in der Mitte ein dramatisch angestrahltes Podest, das eine Porträtbüste ohne jegliche Gesichtszüge trägt. Wer dargestellt ist, erschließt sich aus der Bezeichnung, die in großen Lettern eingeritzt ist. Es handelt sich um Balthus, den umstrittenen französischen Maler, der mit seinem skandalisierten Werk um die erotische Darstellung junger Mädchen ebenso geschmäht wie verehrt wurde. Der folgende salonartige Raum "La Chambre secrète de Balthys par Jonathan Messe (2001)" ist ein greifbarer Bezug auf den von Meese bewunderten Künstlerkollegen. Das Zimmer vermittelt im Gegensatz zu den restlichen Räumen eine behagliche, großbürgerliche Atmosphäre, wohlgeordnet und aufgeräumt. Dominiert wird das Zimmer von Gemälden, die meist Selbstporträts von Meese darstellen. Meese sucht hier wie schon seit einigen Jahren die Auseinandersetzung mit dem klassischen Medium der Malerei, die in seinem Werk beinahe wie ein Fremdkörper erscheint, da er ja mit der Verwendung billiger und vergänglicher Materialien als Sammler von Abfallprodukten der Popkultur und Wegwerfgesellschaft bekannt geworden ist.

Dieser Ansatz kommt schließlich in dem extrem verdichteten Schlafraum "Casino Royal (Goldenes Skelett), 2000" zum Ausdruck. Inmitten des überfrachteten Raums befinden sich mehrere Betten, von denen eines das Erzkind beherbergt. An dem angestammten Ort für das Private, Intime entwirft Meese das Manische, das Traumatische, Neurotische. Der "Staatsatanismus I–IV" erwartet den Besucher im nächsten Raum unter dem Titel "Die Ordensburg ‚Mishimoend‘ (Toecutters Mütze), 2000" mit gebührender Ordnung und Serialität. Das Moment der Regelhaftigkeit tritt dem Betrachter in Form einer langen Reihe von alten Waschbecken entgegen. Die flankierenden Spinde sind einzelnen Personen zugewiesen, die die typische Meese’sche Verquickung aus Pop, persönlich gestrickter Mythologie und Unpersonen der Geschichte ergeben: Fritz Lang, Mussolini, Nero, Hitler, Nietzsche, Alex DeLarge, Caligula u. a. Die an die Wand gemalte Silhouette eines Fremdenlegionärs und der schriftliche Verweis auf dessen Attribut, die Kappe, das képi blanc, bilden die Projektionsfläche für Gefahr, Kampf und das Fremde. Die nach diesem Detail benannte Gesamtinstallation beschließt "Der Vaterraum Daddy, 2000", in dem Meese stellvertretend das aus Büchern, Zeitschriften, Fotos und Erinnerungsgegenständen bestehende Archiv des Vaters des Sammlers Harald Falckenberg verarbeitet und damit Reflexionen über die Vaterfigur an sich anstößt.

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Jonathan Meese. KÉPI BLANC, NACKT
"DR. NO’S DIAMANTENPLANTAGE, des PHANTOMMÖNCH’S PRÄRIEERZHALL, nahe den wässrigen GOLDFELDERN des DR. SAU, dabei die DSCHUNGELHAUT über die ZAHNSPANGE des erntefrischen GEILMÄDCHENS, SAINT JUST‘. (DER PLANETENKILLER DR. FRAU)".