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John Armleder servierte schon 1975 Tee – als Beitrag zur „Biennale de Paris“. Vieles, was in den letzten Jahren an den Schnittstellen Kunst und Dienstleistung, von Pop und Hochkultur verhandelt wurde, findet sich in unterschiedlichster Form im seit über 30 Jahren konsequent weiterentwickelten Werk des 1948 in Genf geborenen Künstlers angelegt. Seine immer mit hintergründigem Understatement und unernstem Ernst argumentierenden Arbeiten haben sich im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte zu einem unverwechselbaren und immer wieder neu sich erfindenden Œuvre gefügt, in dem sich Kitsch und Eklektizismus, B-Movies und Trash mit großem Mehrwert vermischen.

Von seinen frühen Aktivitäten im Fluxus-Umkreis über die Neo Geo-Malerei der achtziger Jahre, den seit 1979 in unterschiedlichen Formulierungen entstehenden „Furniture Sculptures“ und den raumgreifenden Installationen aus Baugerüsten, Monitoren, Diskokugeln und exotischen Schnittblumen bemüht sich Armleder immer wieder darum, bestehende Codes unserer Bilderwelt zu unterlaufen. Er setzt ein beständiges Wechselspiel in Szene zwischen Kunst und Leben, zwischen High und Low, zwischen Ironie und Pathos, das schon in seinen kleinsten paradoxalen Fügungen die Bereiche von Realität, Ästhetik und – nicht zuletzt – der autonomen Autorschaft nachhaltig verwirrt.

So wird der schmucke Frisiertisch, „Untitled“, 1983, zum Bildgrund einer neo-konstruktivistischen Komposition. Das emotional befrachtete Fundstück verbindet sich mit dem Pathos der frühen Abstraktion zu einer vielschichtigen Malerei-Skulptur. Den blutleeren Reflexionen über Sinn und Unsinn gängiger Kategorien der Moderne und ihrer – zu Beginn der Achtziger unumgänglichen – Dekonstruktion entgeht Armleder immer wieder mit Geschick, indem er die theoretische Stringenz der eigenen Unternehmung durch formale Irritationen unterläuft. Ebenso souverän wird an anderer Stelle die Geometrie seiner Malerei mit der alltäglichen Warenästhetik von Surfbrettern konfrontiert oder kippt ein „Dot Painting“, „Untitled“, 1991, auf die Seite und entlässt unzählige bunte Nylonquasten aus seiner Oberfläche, die sich wie bilderfressende Würmer zu seinen Füßen kringeln.

Ein anarchisches Spiel mit Assoziationen und Kunstgeschichte, das immer wieder auch die Bedingung der eigenen Kunstproduktion hinterfragt. Die Nähe zur Ästhetik von Dada und Fluxus wird dabei selten so deutlich wie in der Arbeit „Conversations – Étude pour John Cage sur dix bandes magnetiques“ von 1973: simultan werden zehn Bänder mit den Stimmen von Tristan Tzara, John Cage, Marcel Duchamp oder Kurt Schwitters sowie sechs weiteren Vorläufern und Mitstreitern Armleders abgespielt. Mit dem kakophonischen Über- und Nebeneinander formuliert „Conversations“ das Credo eines faszinierenden Oeuvres, das sich konsequent unterschiedlichster Medien bedient und mit Vorliebe an der Rändern der Gattungen operiert.

Für seine erste umfängliche Präsentation seit der großen Retrospektive in der Kunsthalle Baden-Baden wird Armleder, der seit 1994 an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig lehrt, einen spezifisch auf die Räume des Kunstvereins Hannover sich beziehenden Parcours entwickeln, der die Vielschichtigkeit und Spannweite seines Werkbegriffs anhand eigens entwickelter, raumbezogener Arbeiten verdeutlicht. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

JOHN M ARMLEDER Too Much is not Enough Träger des Preis der Nord/LB 2006

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