Museion, Bozen/Bolzano

MUSEION OF MODERN AND CONTEMPORARY ART | Piazza Piero Siena, 1
39100 Bolzano

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artist / participant

curator

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John Armleder
Plus ça change, plus c’est la même chose
22.09.2018 – 06.01.2019
Opening 21.09.2018

Das Museion eröffnet die neue Saison mit der Einzelausstellung von John Armleder Plus ça change, plus c’est la même chose (Je mehr sich die Dinge ändern, umso mehr bleiben sie sich gleich). Nach dem 2016 für die Medienfassade des Hauses produzierten Video Endless und seiner Beteiligung an diversen Ausstellungen im Zeitraum 2005 bis 2007, setzt Museion die Zusammenarbeit mit Armleder fort, einem der einflussreichsten Schweizer Künstler seiner Generation.

In mehr als 50 Jahren hat John Armleder (1948, Genf, Schweiz) ein Werk entwickelt, das die Vorgaben der Kunstkritik und den Kunstbetrieb selbst überschreitet, um die Schranken zwischen Kunst und Architektur, Kunst und Design sowie Kunst und Objekten des täglichen Gebrauchs zu überwinden. Sein vielgestaltiges Schaffen drückt sich in Malerei, Skulptur, Rauminstallation und Performance, im Video, in kritischen Texten sowie in kuratoriellen und verlegerischen Projekten aus. Indem er Zufälligkeit und Projektarbeit, Hochkultur und Entertainment, entfremdende Ironie und konzeptuelle Analyse vereint, stellt Armleder in seinem gesamten Schaffen das Konzept der Autorenschaft, die Vorstellung von Originalität und die Einzigartigkeit des Kunstwerks zur Diskussion. Obgleich er einen extrem heterogenen Werkkorpus vorlegt, erweisen sich alle seine Arbeiten als Fragmente oder als unterschiedliche Perspektiven eines einzigen, großen Werks: plus ça change, plus c’est la même chose!

Im Rahmen dieser Schaffensstrategie wird auch die Ausstellung im Museion eine große und unberechenbare Arbeit, die ihrerseits aus mehreren Arbeiten besteht und so angelegt ist, dass sie sich jedes Mal, wenn sie vom Publikum „benutzt“ wird, selbst erneuert. Im Mittelpunkt des Ausstellungsraums befinden sich drei große Gerüste (scaffoldings): Zwei davon können von den Besucherinnen und Besuchern betreten werden und sind daher „bespielbar“, eine dient als Struktur zur Präsentation. In Armleders Kunst ist das Gerüst ein wiederkehrendes Element, das ihm nicht nur erlaubt, sich mit dem display (der Zurschaustellung) von Objekten auseinanderzusetzen, sondern auch einen natürlicherweise inklusiven und interaktiven Raum zu schaffen. Das Gerüst mit echten und künstlichen Pflanzen und ausgestopften Tieren ist, unter anderem, ein Zitat aus einer Ausstellung des Künstlers im MAMCO in Genf im Jahr 2005. Die Arbeit spiegelt die Nebeneinanderstellung von Falschem und Realem wider, die sein Werk durchzieht. Eines der begehbaren Gerüste mit dem Titel Mondo Tiki 1 (Scaffolding) entstand 1999 und wurde zum ersten Mal in der ACE Gallery in New York gezeigt. Integraler Bestandteil dieser Arbeit sind Lichtelemente wie beispielsweise Leuchtstoffröhren, aber auch eine Auswahl von B-Movies aus den 1950er und 1960er Jahren, die auf Monitoren zu sehen sind, und eine Klangkompilation, die auch hawaiianische Musik umfasst.

Um die scaffoldings entstanden großformatige Wandgemälde (wall paintings) mit Motiven, die auf ein breitgefächertes Repertoire zurückgreifen – von der Popkultur zur street culture, von der New-Age-Mystik bis zur Kunstgeschichte und eben den in Hollywood produzierten B-Movies. Daraus ergibt sich Armleders Poetik, die sich auf eine konstante Migration von Symbolen und deren komplexe und wandelbare Verflechtung mit kulturellen Traditionen aus unterschiedlichen Kontexten konzentriert

Der Künstler interveniert auch auf den Wänden des Ausstellungsraums, wo gold- und silberfarbene verspiegelte Oberflächen angebracht sind. Diese reflektieren und brechen die Installation und die Malerei sowie die von den Glasfenstern des Museion aus sichtbare alpine Landschaft. Daraus entsteht ein kaleidoskopisches und verwirrendes Ausstellungsdesign, das die Strenge der musealen Architektur dekonstruiert. Der Gebrauch von bühnenbildnerischen und leuchtenden Elementen, die aus der Ästhetik des Ornaments herstammen, ist eine weitere Konstante in Armleders Kunst, die das Klischee des Kunstwerks als Dekor hinterfragt. In dieses Konzept der Dekoration fügen sich auch die Anhäufungen von echten und künstlichen Pflanzen, ausgestopften Tieren und Alltagsobjekten ein, die diese Ausstellung vervollständigen. Diese Anhäufungen sind perfekte Indizien für die Rolle, die der Zufall in Armleders Kompositionsstrategie spielt, sowie für die Nonchalance und Leichtigkeit, mit denen er seine „ästhetischen Tragödien“ in Szene setzt.

Mit dem Video Endless setzt sich die Ausstellung auf der Medienfassade fort. Die im Dezember 2016 erstmals projizierte Arbeit reflektiert die obsessive Leidenschaft des Künstlers für die Vorstellungswelt und das kulturelle Konstrukt von Weihnachten. Ein explosives Pulsieren von Lichtern, Farben und Feuerwerk beleuchtet in einem unermüdlichen und „endlosen“ Rhythmus die große Glasfläche des Museion.

„Seit einiger Zeit stellt das Museion in seinem Programmangebot Ausstellungen zum Thema Skulptur im weitesten Sinne vor, um die Aufmerksamkeit auf den Raum zu lenken, in dem sich die jeweilige Arbeit befindet. Damit werden die tiefgründigen wechselseitigen Beziehungen aufgezeigt, die das zeitgenössische Kunstwerk mit den Künstlern und dem Publikum verbindet. In diesem Jahr, in dem wir den zehnjährigen Geburtstag des neuen Hauses feiern, finden die heterogenen Spielarten der Skulptur im Projekt von John Armleder ihren Höhepunkt, denn für ihn steht der Kontext in dem ein Werk präsentiert wird, immer im Mittelpunkt seines Schaffens“ – so die Direktorin des Museion Letizia Ragaglia.

John Armleder (1948, Genf, Schweiz). Nach ersten Ausstellungen in mehreren europäischen Kunstinstitutionen – Kunstmuseum Basel (1980); Musée d’Art et d’Histoire, Freiburg/Fribourg(1982); Künstlerhaus Stuttgart (1984); Ecole Nationale d’Art Decoratif Limoges e Musée d’Art et d’Histoire Genf(1986) – nimmt John Armleder 1986 an der Biennale di Venezia (Schweizerischer Pavillon) teil. Einzelausstellungen (Auswahl): Musée de Peinture et de Sculpture de Grenoble, Nationalgalerie Berlin, Kunstmuseum Winterthur, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, Kunstverein Düsseldorf (1987); Le Consortium, Dijon (1989, 1996, 2014); Centraal Museum Utrecht (1992); Villa Arson, Nizza (1993, 2007); Wiener Sezession (1993); Fondazione Ratti, Como (1996, wo er als Visiting Professor einen Kurs im Fach visuelle Künste leitete); Staatliche Kunsthalle Baden Baden, Casino Luxembourg (1998); MoMa, New York (2000); Kunstraum Innsbruck, Magasin Grenoble (2001); Kunstraum Braunschweig, Kunstverein Ruhr, Essen, GAMec Bergamo (2004). 2004 zeigen die Kunsthalle Zürich und das ICA in Philadelphia eine Retrospektive seiner Papierarbeiten, 2005 widmet ihm das MAMCO in Genf eine große Retrospektive. Es folgen Einzelausstellungen an den Standorten Tate Liverpool (2007), Contemporary Art Museum Saint Louis (mit Oliver Mosset), Institute of Modern Art/Queensland Art Gallery, Brisbane, Palais de Tokyo (Carte Blanche), Paris, Peggy Guggenheim Collection (Away) in Venedig (2011); Warwick Arts Centre, Coventry und Swiss Institute, New York (2012); Musée National Fernand Leger, Biot (2014); Istituto Svizzero di Roma (2017). Die jüngste Einzelausstellung in einer öffentlichen Institution zeigte das Madre in Neapel 2018.

Kuratiert von Letizia Ragaglia

Anlässlich der Ausstellung wird ein Katalog in Zusammenarbeit mit dem Madre · museo d’arte contemporanea Donnaregina, Neapel, realisiert.

Mit der Unterstützung von Pro Helvetia