press release only in german

In ihrer künstlerischen Praxis, die zugleich visuell, textuell und performativ ist, baut Jill Magid (*1973, lebt in New York) innerhalb bürokratischer Strukturen intime Beziehungen auf, indem sie mit Autoritäten flirtet, diese verführt und unterwandert. Ihre Projekte erforschen scheinbar undurchdringbare Systeme, wie das New York City Police Department, den Niederländischen Geheimdienst, Überwachungssysteme und den Nachlass des Architekten Luis Barragán, und bringen diese Machtgefüge aus dem Gleichgewicht.

Magids Arbeiten nehmen häufig die Form elliptischer Liebesbriefe an, welche menschliche Qualitäten in Kontrollinstanzen wecken. Diese aufgeladenen Begegnungen basieren auf gegenseitigem Vertrauen, sind aber zugleich voller ethischer Komplikationen und sozialer Asymmetrien. Mit ihren Werken beleuchtet Magid die Komplexität, die potentielle Intimität und die Absurdität unserer Beziehungen zu Institutionen und Macht.

In ihrer Einzelausstellung «The Proposal» in der Kunst Halle Sankt Gallen präsentiert Jill Magid einen Höhepunkt innerhalb ihres gross angelegten, multimedialen Projekts The Barragán Archives, welches das Vermächtnis des mexikanischen Architekten und Pritzker-Preis-Gewinners Luis Barragán (1902–1988) untersucht. Das langjährige Projekt stellt eindringliche, radikale und pragmatische Fragen über Formen der Macht, Urheberrechte und öffentliche Zugänglichkeit künstlerischer Vermächtnisse.

In seinem Testament legte Barragán fest, sein Archiv zu teilen. Die meisten seiner Bauwerke sowie das persönliche Archiv verbleiben in Mexiko in seinem Wohnhaus, der Casa Barragán, das nun ein Museum und UNESCO-Weltkulturerbe ist. Das berufliche Archiv wurde 1995 mitsamt der Namensrechte und den Rechten an seinem Werk sowie allen Fotografien seiner Bauwerke von der Schweizer Möbelfirma Vitra unter der Federführung der neu gegründeten Barragan Foundation erworben. Dieser schenkte es wiederum seiner Verlobten, Federica Zanco, die heute Direktorin der Barragán Foundation ist. Während der letzten zwanzig Jahre war das Archiv der Öffentlichkeit nicht zugänglich und in einem Bunker im Firmenhauptsitz von Vitra untergebracht.

Seit der Lancierung 2013 umfasst Jill Magids Projekt The Barragán Archives aufwändige Installationen und Performances in Kunsträumen, Galerien und etablierten Museen. Magid nutzte jede dieser Ausstellungen als Gelegenheit,

um die Erzählung voranzutreiben und die geltenden Parameter rechtlichen Urheberrechts des entsprechenden Landes in die Arbeit zu integrieren.

«The Proposal» stellt einen packenden und unerwarteten Moment in Magids langjähriger Auseinandersetzung mit Luis Barragán, der Barragan Foundation, Barragáns Nachkommen, der mexikanischen Regierung und dem unersetzbaren, kreativen Vermächtnis, das sie miteinander verbindet, dar. Auf elegante Art und Weise und mit Bestimmtheit werden die Wege der beruflichen und persönlichen Archive Barragáns wieder zusammengeführt.

Magid erforscht Barragán als öffentliche und private Person. Gleichzeitig untersucht sie die singulären Interessen der vielen Rechtsträger – seien es Individuen, Staats- oder Unternehmensinstanzen, welche zu den Hütern der Archive geworden sind. Dadurch thematisiert sie komplexe Schnittstellen von Psychologie und Justiz, nationaler Identität und Rückführung, internationaler Eigentumsrechte und Urheberrechte, Autorschaft und Besitz sowie den menschlichen Körper und das künstlerische Werk.

«The Proposal» wurde vom San Francisco Art Institute in Auftrag gegeben und ist dort vom 9. September bis 15. Dezember 2016 zu sehen. Eine Publikation von Sternberg Press, dem San Francisco Art Institute, The Vera List Center for Art and Politics und The New School begleitet das Projekt. Im Herbst 2016 wird ein Dokumentarfilm (Regie: Jill Magid; Produzent: Jarred Alterman) auf TheIntercept.com als Teil eines Auftrags von Field of Vision erstmals ausgestrahlt.