press release only in german

Der belgische Künstler Jef Geys (*1935), der durch seine Teilnahme an der Ausstellung "Skulptur Projekte in Münster 1997" auch einem breiteren Publikum bekannt wurde, zeigt im Kunstverein München die seit 1962/63 fortlaufende Bilderserie "Grote Zaadzakjes" (Große Samentüten) sowie die Studien "Kleine Zaadzakjes" und verschränkt diese mit einer neuen, ortsspezifischen Rauminstallation. Darüber hinaus realisiert der Kunstverein in Zusammenarbeit mit kunstprojekte_riem und der Kulturstiftung der Stadtsparkasse im öffentlichen Raum eine modifizierte Form eines älteren Projekts von Geys zu den Idealen "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit".

Ebenso wie Broodthaers und Panamarenko ist Geys ein Künstlertypus, der sich Zuordnungen verweigert. Aspekte von Pop, Fluxus und Konzeptkunst fusionieren in seiner Bildsprache. Sein Werk unterzieht die Kunst, ihre Institutionen sowie gesellschaftspolitischen Zusammenhänge einem humorvollen Sezierprozeß. Seine Bilder, Skulpturen und Installationen sind häufig als serielle und unabgeschlossene Arbeitsprozesse konzipiert. In der Bilderserie "Grote Zaadzakjes", für die Geys, nach einer Vorstudie im Herbst 1962, ab 1963 jährlich ein neues Motiv einer Samentüte abmalt - sowohl von Blumen als auch Gemüse - und den Packungsinhalt in seinem Garten aussät. Dieses Jahr fiel die Wahl auf "Convolvulus", eine Trichterwinde. Die konzeptuelle zyklische Zeitlichkeit kontrastiert mit der Pop-Ästhetik der mit Lackfarbe fotorealistisch auf Holztafeln gemalten Bilder. Naturimitation und kommerzielle Warenästhetik kollidieren und stellen Fragen der Darstellung, der Mimesis des Organischen oder des Produkts. Unter diesen Bildern sind Schilder angebracht, die sowohl die lateinische Bezeichnung der jeweiligen Pflanze als auch deren alltäglichen Namen angeben und die so die enzyklopädisch-wissenschaftlichen Aspekte der Serie betonen. Eine ähnlich distanziert-enzyklopädische Auflistung existierender "Differenzen" oder "Arten" findet sich in Geys, Rauminstallation für den Kunstverein: Eine Gerüst-Konstruktion brüskiert die Monumentalität des Kunstvereins, indem sie es ermöglicht, zu den sonst unerreichbaren Fenstern zu gelangen, unter denen Geys Namen von Ethnien - ironisch "Völker" betitelt - verzeichnet.

Soziale, interaktive Projekte bilden das Fundament von Jef Geys, künstlerischer Praxis. Für die Gemeinschaft seiner Region entwickelte er verschiedene Projekte, die erst, nachdem sie vor Ort durchgeführt wurden, als Dokumentation im Kunstkontext präsentiert werden. So gründete er 1969 die Kneipe "Bar 900" und beteiligte sich 1971 als Künstler an einem Streik gegen eine Werksschließung. Als Lehrer an einer Grundschule entwickelte er Dutzende von Projekten mit Schülern und Lehrern. 1993 entwickelte er für das Kunstzentrum Witte de With in Rotterdam ein lokales Fernsehvorabendprogramm. Nach der Geschäftsaufgabe der regionalen Zeitung "Kempens Informatieblad" übernahm er für ausstellungsbegleitende Sonderhefte mit Informationen und Hintergrundberichten deren Titel.

In Zusammenarbeit mit kunstprojekte_riem reaktiviert Jef Geys nun für München ein Projekt, das er 1986 für die Ausstellung "Chambres d'amis" in Gent entwickelt hatte, bei der Künstler ausschließlich in Privatwohnungen ausstellten. Jef Geys konzipierte für sechs Wohnungen Türen, die in drei Sprachen mit den Idealen der Französischen Revolution von 1789 beschriftet waren: Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit. Im Gegensatz zu den großbürgerlichen Gastgeberwohnungen der Ausstellung wählte Geys enge Wohnungen von sozial weniger begünstigten Bürgern aus, wo sich - neben der distanzierten Kunstbetrachtung - auch eine Konfrontation mit der Lebenswirklichkeit ergab. In München plaziert Geys diese Türen in sechs sakralen Räumen unterschiedlicher Religionen oder Weltanschauungen.

only in german

Jef Geys
1962-2001