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Janet Cardiff & George Bures Miller
Dream Machines
7. Juni – 24. September 2023

Das kanadische Künstlerpaar Janet Cardiff (*1957) und George Bures Miller (*1960) schafft Installationen, die alle Sinne aktivieren. Mit der Ausstellung Dream Machines bietet das Museum Tinguely zum ersten Mal in der Schweiz einen umfassenden Überblick über ihr Schaffen – von ersten interaktiven Klangarbeiten bis zu neusten, dystopisch-immersiven Rauminstallationen. Es sind Hommagen an traditionsreiche kulturelle Praktiken wie das Kino, das Theater oder das Musizieren. Wer sich vom 7. Juni bis 24. September 2023 auf den Weg macht, ihre detailreich inszenierten Mixed- Media Werke in situ zu erkunden, begibt sich auf Reisen und taucht in Träume und poetische Welten ein. Die Ausstellung wird ab 1. Juli 2023 extra muros um eine Installation in der Druckereihalle im Ackermannshof (Basel) ergänzt.

Den Anfang ihrer über 30-jährigen Karriere als Künstlerpaar machten ortsspezifische 'Audiowalks' mit Walk- oder Discmans. Ab 2000 entwickelten sie eine besondere Form der Augmented Reality, indem sie ihre Walks mittels verschiedener Videoabspielgeräte um eine Dimension erweiterten – ein Erlebnis, das von Teilnehmenden als eine Art interaktives, körperlich erfahrbares Kino beschrieben wurde. Auch die im Museum Tinguely präsentierten Installationen laden zum Mitmachen ein und entführen das Publikum in ihre Traumwelten. Dafür nutzen Cardiff und Miller verschiedene technische Ansätze, um unterschiedliche Klangerlebnisse zu kreieren. To touch (1993), The Cabinet of Curiousness (2010) oder Experiment in F# Minor (2013) spielen mit der Möglichkeit, Sound durch Bewegung zu aktivieren. Durch Berührung oder den Schattenwurf eines Körpers erwachen die Arbeiten zum Leben und setzen Alltagsgeräusche, Melodien, Musikkompositionen oder flüsternde Stimmen frei.

Cardiff und Miller’s Schaffen ist angetrieben von einer Faszination für imaginative kulturelle Praktiken wie das Schreiben und Erzählen, Film, (Puppen-)Theater, Oper und Musik. Bewusst arbeiten sie mit dem Unbewussten, mit Träumen, die fantastische und oft disruptive Assoziationsräume eröffnen. So ermöglicht The Instrument of Troubled Dreams (2018) das Komponieren eines eigenen Film-Soundtracks. Die Tasten des Mellotrons, eine analoge Urform des Samplers, wurden von Cardiff und Miller mit verschiedenen digitalen Klängen belegt: Vom Regenprasseln über Gesang und Orgelspiel bis hin zum Hundegebell oder Schusswechsel.

Kombiniert oder aufeinanderfolgend kann damit eine imaginäre Handlung erzählt werden. Bei The Muriel Lake Incident (1999) findet man sich hingegen in einem Miniatur-Kinosaal wieder. Setzt man sich die Kopfhörer auf, hört man nicht allein den Sound des laufenden Films: Das binaurale Audiosystem gibt den Klang räumlich wieder und erweckt die Illusion, inmitten eines Kinopublikums zu sitzen, das raschelt, flüstert oder Popcorn isst. Die Erzählebenen verschwimmen und die Betrachtenden werden Teil des Geschehens.

Das Künstlerduo betont seine Faszination für die Selbsttätigkeit der Maschine in Tinguelys Werk und bezeichnen ihn als einen ihrer wichtigsten Einflüsse. Wie in der Sammlungspräsentation im Museum Tinguely muss ein roter Knopf gedrückt werden, um mit The Killing Machine (2007) ein gleichsam düstereres Spektakel in Bewegung zu setzen. Inspiriert von der Kurzgeschichte In der Strafkolonie (1919) von Franz Kafka beginnen zwei Roboterarme ihren Totentanz und scheinen ein imaginäres Opfer auf einem Zahnarztstuhl mit spitzen Nadeln zu malträtieren. In Sad Waltz and the Dancer Who Couldn’t Dance (2015) zwingt die Maschine eine Marionette zu einem ungelenken Tanz.

Mit raumgreifenden Installationen wie Opera for a Small Room (2005) oder Escape Room (2021) können die Besucher:innen schliesslich gänzlich in von Cardiff & Miller kreierte Welten eintreten und der Realität entfliehen. Kleinteiligst und detailreich eingerichtet, hinterlassen die Räume den Eindruck, dass deren Bewohner:innen in jedem Moment zurückkehren könnten. Sorgsam inszenierte Sound- und Lichteffekte erwecken den Raum zum Leben, regen die Fantasie an und erinnern an längst vergessene Träume.

Ein besonderes Highlight wird vom 1. Juli bis 10. September in der Druckereihalle im Basler Ackermannshof zu sehen sein: Janet Cardiffs grosse musikalische Installation The Forty Part Motet (2001). Ausgangspunkt für die Soundinstallation ist eine geistliche Vokalkomposition – die Motette Spem in Alium (um 1570) für acht Chöre zu je fünf Stimmen von Thomas Tallis. Das Duo zeichnete die Stimmen der vierzig Sänger:innen einzeln auf getrennten Tonspuren auf, um sie schliesslich unisono wiederzugegeben. Vierzig Lautsprecher, in einem Oval angeordnet, stehen für die Chormitglieder und machen den Klang im Raum skulptural erfahrbar.

Das Ausstellungsprojekt ist eine Kooperation mit dem Lehmbruck Museum in Duisburg. Dort machte die Ausstellung im Frühjahr 2022 anlässlich der jüngsten Verleihung des Wilhelm Lehmbruck-Preises im Jahr 2020 an das Künstlerpaar Station, welcher 1976 auch an Jean Tinguely vergeben wurde.

Begleitend zur Ausstellung erscheint ein reich bebilderter Katalog, 168 Seiten, im Wienand Verlag. Über abgedruckte QR-Codes sind Videos und Audiodateien der in der Ausstellung präsentierten Werke abrufbar. In zahlreichen Statements berichten Weggefährt:innen Janet Cardiffs und George Bures Millers, unter ihnen Kasper König, Carolyn Christov-Bakargiev und Dr. Söke Dinkla, von persönlichen Begegnungen und gemeinsamen Projekten und zeichnen auf diese Weise sehr anschaulich und persönlich wichtige Etappen im Leben des Künstlerpaares nach. Der Katalog ist im Buchhandel sowie für 35 CHF im Museumsshop erhältlich. ISBN: 9783868326932 (DE)