FILIALE Berlin

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1977 plante die Österreichische Bundesregierung die Errichtung einer Behörde zur Kanonisation (in der römisch-katholischen Kirche als „Heiligsprechung“ bekannt). Außergewöhnlichen Menschen sollte so, nach entsprechender Prüfung, die Möglichkeit gebotenwerden, zu hohem öffentlichem Ansehen zu gelangen und in einen Kanon der Volks- oder Nationalhelden aufgenommen zu werden. Eigentlicher Grund der Etablierung einer solchen Behörde war aber wohl die Aussicht auf hohe Einnahmen, welche die Bürger freiwillig zahlen würden. Denn für die aufwendige Prüfung jedesAntrages, Fachgutachten, Kostenersatz für Zeugen, Erstellung von Dokumentationen, Druckkosten, Dekoration während der Feierlichkeiten sowie vielfältiger Gebühren und Taxen wurden Beträge von mindestens 80'000 Schilling berechnet. Dennoch erreichten die Behörde schon im ersten Jahr weit mehr als 1000 Anträge. Zur Unterstützung weniger finanzkräftiger Antragsteller bildeten sich vielerorts Vereine, die „ihrem“ Original ermöglichen wollten, ein offizieller Volksheld zu werden.

Wie sich herausstellte, war im ersten Jahr keine der Antrag stellenden Personen bedeutend genug für eine Kanonisation. In den folgenden vier Jahren des Bestehens der Behörde gelangten nur drei Personen in diesen Status. Stattdessen stellte die Behörde in ihrer Überprüfung fest, dass ein Großteil der Antragsteller nicht nur keine Volkshelden waren, sondern sich in kleinerem oder größerem Maße strafbar gemacht hatten. Durch die Offenlegungspflicht hatten sie der Behörde Einsicht in alle ihre Lebensbereiche gestattet. Die Etablierung der Behörde stellte den Idealfall für eine Regierung dar: die Bürger bezahlen freiwillig hohe Beträge in den Staatshaushalt und zeigen sich dabei selbst an. Nachdem allerdings offensichtlich wurde, welche Folgen die Antragstellung haben kann, ging die Zahl der Anträge rapide zurück, so dass der Betrieb der Behörde im April 1981 eingestellt wurde. Bis zu dieser Zeit waren 8625 Anträge eingegangen, die bis heute in einer Lagerhalle in der Wiener Alserbachstrasse lagern.

Auszug: # 6031 Joseph Lechner, geb. 1947 in Klachl Auf dem VOLTA4 Stand der Galerie Conrads, Duesseldorf, In Basel soll der Antrag und das Verfahren von Joseph Lechner (# 6031) ausschnitthaft dargestellt werden. (Lechner begann 1968 mit einer Baumbesetzung. Als Pflanzenliebhaber wollte er nicht akzeptieren, dass eine Blaufichte an seiner Grundstücksgrenze gefällt werden sollte. Lechner baute sich eine Plattform, welche er an den Baum kettete. Darauf lebte er 17 Monate lang und ließ sich von seiner Familie mit Nahungsmitteln versorgen. Lechner ernährte sich ausschließlich von Fleisch, da er eigenen Angaben zufolge keiner Pflanze etwas zuleide tun könne.) Es wird u.a. ein Nachbau der Plattform zu sehen sein, mit der Lechner sich an den Baum kettete. Zwei fotografisch anmutende Aquarelle dokumentieren seinen Aufenthalt im Baum bzw. die Beseitigung von Abfällen.

Des weitern wird es den handschriftlichen Antrag geben, den der Joseph-Lechner-Fanclub in der Behörde einreichte. Auf einer Texttafel wird das Verfahren der Heligsprechung erklärt. Über das Verfahren der Kanonisation, die Behörde, Umstände Ihrer Entstehung und Schließung, die historische Bedeutung etc. wird es eine neue Ausgabe der „Maßnahme“ geben. Hier werden exemplarisch Anträge vorgestellt und insbesondere der von Joseph Lechner ausführlich beleuchtet. Die Zeitung wird für die Besucher zur Mitnahme ausliegen.

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Jana Gunstheimer
HEILIGSPRECHUNG