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Licht und changierende Bildstrukturen machen die faszinierenden Animationen und Videoskulpturen von Jakub Nepraš aus. Durch Projektionen verwandeln sich die ästhetischen Objekte in pulsierende Gebilde umhüllt von einer Geräuschkulisse. Sie sprechen den Betrachter auf mehreren Sinnesebenen an und vermitteln zugleich wesentliche Botschaften. Der Medienkünstler und Bildhauer Jakub Nepraš avancierte in den letzten zehn Jahren zu einem der international bekanntesten tschechischen Künstler. Die Ausstellung „Invisible Outer Space“ im Kunstforum Ostdeutsche Galerie zeigt eine Auswahl aus seinem Schaffen von 2007 bis heute, sowie einige frühere und aktuelle Zeichnungen.

Ausgehend von wissenschaftlichen Texten, philosophischen Überlegungen sowie der eigenen Erfahrung und Intuition greift Jakub Nepraš bestimmte Formen oder Prozesse in der Natur auf. In seiner künstlerischen Verarbeitung erhebt er sie zu Metaphern für Phänomene wie Erinnerung, Kommunikation, Evolution oder Adaptation. So gelingt es ihm, komplexe Zusammenhänge und Querverbindungen in der Funktionsweise der Welt zu veranschaulichen. Er bedient sich dabei moderner visueller Technologien. Die Basis bilden Animationen – digitale Collagen aus einzelnen Videosequenzen, die Nepraš jede für sich aufnimmt. Die ersten Arbeiten bestanden nur aus solchen Videomalereien, bald begann er sie aber mit Objekten zu kombinieren. Neben Plexiglas, verschiedenen Gegenständen, Metall und Glas verwendet er zunehmend mehr Naturmaterialien: Holz, Stein oder Pflanzensamen. Dieses Verschmelzen von moderner Technik, eines untrennbaren Bestandteils der heutigen Kultur, mit Naturelementen entspricht der idealen Vorstellung von einem symbiotischen Neben- und Miteinander von Natur und der Zivilisation, die sein komplettes Schaffen durchdringt. „Ich nutze gezielt die Schlagkraft der aktuellen Medien. Durch das intensive Erlebnis möchte ich den Betrachter sensibilisieren, zum Nachdenken motivieren, dazu anregen, sich selbst und seine Umwelt bewusster wahrzunehmen.“

Die Sehnsucht nach einer engen Verbindung mit der Natur spricht bereits aus einigen frühen Zeichnungen. Die menschlichen Behausungen, die sich nestartig zwischen die Äste von Baumkronen schmiegen, stehen im Zusammenhang mit einem mehrstöckigen Baumhaus, das Nepraš als Zehnjähriger zu bauen begann – ein Langzeitprojekt, das er bis heute weiterführt. Die Skizzen fielen bereits bei der Aufnahmeprüfung an die Akademie der Bildenden Künste in Prag auf und waren mit ein Grund dafür, dass er aufgenommen wurde. Mit seiner Abschlussarbeit, der Videocollage „Babylon Plant“, hat Nepraš 2006 große Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die monumentale pulsierende organische Form, die von wimmelnden Menschenmengen bevölkert ist, brachte ihm gleich mehrere Preise ein. Im Rahmen der Präsentation des Essl Art Award war dieses Werk 2008 im Kunstforum Ostdeutsche Galerie ausgestellt. Als 29-Jähriger war Nepraš im künstlerischen Team des tschechischen Pavillons bei der EXPO 2010 in Schanghai. 2015 beteiligte er sich ebenso an der EXPO in Mailand. Seit 2005 präsentiert er sich regelmäßig mit Einzel- und Gruppenausstellungen sowie artfestivals in Europa, Asien, USA und Südamerika. Die Regensburger Ausstellung gibt mit einer Auswahl an sieben Videoskulpturen, drei Animationen sowie einigen Zeichnungen einen Einblick in die verschiedenen Themen, die den Künstler beschäftigen.

Der Superorganismus – ein universelles Prinzip Der Superorganismus als Modell einer Gemeinschaft ist ein zentraler Begriff, mit dem Nepraš arbeitet. Insbesondere die ersten Animationen, darunter auch die in Regensburg ausgestellten Fossil und Ayahuasca, veranschaulichen den vielschichtigen Mechanismus von Interaktionen und Bezügen. Die Animationen gleichen auf den ersten Blick vielfach vergrößerten zellenartigen Gebilden, die voller Bewegung sind. Bei näherer Betrachtung entpuppen sich die pochenden, strömenden und wirbelnden Strukturen als vertraute Alltagsszenen – Hunderte von Fragmenten der Realität, herausgerissen aus ihrem Kontext und neu zusammengefügt. Strömendes Wasser, im Wind wehende Pflanzen, Architekturelemente und Fragmente von Straßenzügen – ein Planet, bevölkert von Tausenden von Menschen. Je nach dem Abstand, den der Betrachter einnimmt, wechseln die Mikro- und Makroebene. Mit Fossil rückt Nepraš das Thema der periodisch wiederkehrenden Zyklen von Entstehung, Höhepunkt und Untergang in den Mittelpunkt, denen alles Lebende unterworfen ist.

Die Stadt
Einen in sich geschlossenen Superorganismus stellt auch die Stadt dar, insbesondere eine Großstadt. Eine „Ikone der Großstadt“ schuf Nepraš mit Metropolia, eine Arbeit, die er für den tschechischen Pavillon auf der EXPO 2010 in Schanghai konstruierte. Die kreisförmige Animation aus wechselnden, rotierenden Bildsequenzen spiegelt die Rhythmen der Großstadt wider, die sowohl optisch als auch unterschwellig wahrnehmbar sind. Mit jeder Umdrehung kommt eine weitere Schicht parallelen Geschehens hinzu. Zu dem Themenkomplex der Stadt gehört ferner The Moth, ein Riesenfalter, der zum ersten Mal an der Prager Karlsbrücke zu sehen war. Die monumentale Installation ist ein Symbol für das ursprüngliche Gesicht der Großstadt mit ihrer Geschichte, das nur noch für kommerzielle Zwecke als oberflächliche Kulisse wiederbelebt wird, während das authentische Leben schwindet. Das eigentliche Muster der Flügel wird permanent von unterschiedlichen Bildern überflutet. Neben Architekturelementen aus dem alten Prag tauchen typische Souvenirartikel sowie andere Touristenattraktionen auf. In Regensburg bildet die vier Meter hohe Skulptur das Herzstück der Ausstellung im großen Saal.

Die Kommunikation – Inhalt und Instrument
Die Funktionsweise eines Kommunikationsnetzes, das sich zwischen Menschen, Tieren aber auch Pflanzen entwickelt, visualisiert Nepraš unter anderem in Meadow. Die regelmäßig angeordneten Steine sind durch einen Informationsfluss verbunden. Jedes einzelne Element verarbeitet die empfangenen Informationen auf seine Art und verschickt sie in veränderter Form weiter. Emotionen äußern sich hier als Farben, Formen und Bewegungen. Es entsteht ein gegenseitiges Übertönen, das an eine zirpende Sommerwiese erinnert. Das unterschwellige Ausstrahlen und Empfangen von Informationen, Emotionen und anderen Energien, das der Mensch zwar nicht mit seinen fünf Sinnen aufnehmen kann, an dem er sich aber mehr oder weniger unbewusst beteiligt, verarbeitet Nepraš in Auras of Communities. Ein Experiment mit verschiedenen Ebenen der Kommunikation sind im Übrigen alle seine Werke. Nepraš konfrontiert den Betrachter mit einer nicht auf Anhieb erfassbaren Fülle an Impressionen, wovon manche so kurz eingeblendet werden, dass sie knapp unter der Grenze des bewusst Registrierbaren liegen. Die Videoskulpturen sollen ihn dazu animieren, die eigene Wahrnehmung zu reflektieren.

Evolution, Adaptation und die natürliche Selektion – Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Theorien
In seinem Schaffen versucht sich Nepraš oft intuitiv an Bereiche heranzutasten, die die Wissenschaft über komplexe Theorien erschließt. In den letzten drei Jahren beschäftigt er sich verstärkt mit der evolutionären Anpassung, die auch Thema seiner Werke Adaptation und Crystal ist. Beide bestehen aus anorganischen Objekten – sei es ein Naturstein oder der gläserne Kristall – die Nepraš durch eine Animation belebt. Dazu verändert er Mikroskopaufnahmen primitiver Organismen und ergänzt sie durch fremdartige Elemente. Das Nachahmen der faszinierenden Formenvielfalt und Schönheit der Natur ist einerseits ein Ausdruck seiner Bewunderung. Andererseits berührt er damit aber auch die kontroverse Diskussion über die künstlichen Eingriffe in der Gentechnik.

In Natural Selection II setzt sich Nepraš mit dem grundlegenden Begriff der Evolutionstheorie auseinander, der natürlichen Selektion. Durch die Konfrontation mit spezifischen Gegebenheiten eines Lebensraumes werden aus der Masse willkürlich entstandener Mutationen jene herausgefiltert, die für das (Über)Leben vorteilhaft sind. Die Idee von diesem aufwendigen Austesten verschiedener Möglichkeiten greift Nepraš auf und untersucht, inwieweit inkohärentes Material kombinierbar ist. Er wählt dazu einerseits anthropogene Gegenstände, vielfach Abfälle als Fragmente der Zivilisation, und andererseits Naturmaterialien. Dabei beobachtet er die äußeren Ähnlichkeiten und experimentiert damit. Im Endergebnis, der Skulptur, gelingt es ihm, die einzelnen Elemente unterschiedlichen Ursprungs so zu verbinden, dass sie eine neue Einheit bilden.