press release only in german

Ausstellungseröffnung: 3. Juni 2007 um 16 Uhr

"Die Wohnung, das Milieu, die Gegenstände, mit denen sich ein Mensch umgibt, verraten fast alles über ihn", bemerkte Jean Baudrillard schon vor knapp 40 Jahren in „Das System der Dinge". In unserem Falle verrät die Installation von Ingrid Hartlieb, die aus Holzskulpturen der letzten fünfzehn Jahre besteht, sehr viel über das plastische Werk und den inhaltlichen Ansatz der Künstlerin. Die Zusammenstellung der Arbeiten ist ein historischer Längsschnitt durch ihr Schaffen der vergangenen Jahre, die Themen, die sie behandelt, die formalen Lösungen, die sie aus dem spröden Werkstoff Holz geformt hat. Die Titel ihrer Werkstücke klingen vertraut: Bojen, Abstandshalter, Rettungsringe, Luftkissen, Sitze, Ruhekissen, Wurfholz, Treibrad, Walze, Tretmühle oder Petit Fours. Allesamt Begriffe und Gegenstände, wie sie auch mehr oder minder in unserem alltäglichen Leben zu finden sind. Mit Ausnahme vielleicht des aus der Geographie entlehnten Begriffes der „Doline“, die in ihrer Form jene trichter- oder schüsselartigen Senken assoziiert, die durch Erdeinbrüche oder Ausspülungen entstehen. Die Werkstücke von Ingrid Hartlieb sind gleichnishafte Stücke. Die Titel ihrer Arbeiten weisen über den namentlich entlehnten prosaischen Verwendungszweck hinaus. Im Kontext ihres Werkes betrachtet sind es existentielle Zeichen, ästhetische Verdichtungen im materiellen wie im metaphorischen Sinne. Die Choreographie, resp. die Anordnung der gesägten, gehobelten, geleimten, mit Wachs und Pigment beschichteten Akteure auf dem dunklen Grund ihrer Bühne gleicht, wenn man so will, einer Handlungsanweisung oder auch einer archäologischen Ausgrabung. Was sagen uns die Artefakte über das Leben ihrer Benutzer, über ihr Denken und Handeln, über ihre Haltung und den Stand der Welt, die sie hervorgebracht haben? „Meine Arbeiten sind Versuche, psychische Situationen: Ängste, Zwänge sinnbildlich und allgemeingültig zu formulieren. Sie sind Mitteilungen über meine Existenz und über den Menschen“. (I.H.) Als Bildhauerin geht Ingrid Hartlieb den schmalen Grat von verletzen und heilen. Der expressive, aus der Behandlung der Hölzer resultierende Gestus, erhält in der Oberflächenbehandlung ihrer Werkstücke eine kurative Haut aus Pigment und Wachs. „Das System der Dinge“ ist ein offenes ästhetisches Tableau, das dem Betrachter unterschiedliche Möglichkeiten des Zugangs bietet. Eine assoziative, interpretierende Annäherung über die Titel oder eine sinnlich, haptische Betrachtung, über die reduziert, abstrahierende Formensprache, in der die Bildhauerin ihre Themen fasst. Letztlich muss man aber ihr Werk als eine Ordnung von symbolhaften Zeichen begreifen. Symbole, die Aufschluss geben über das Unbewusste, über die geheimen Träume, die oft sorgfältig hinter Fassaden verborgen werden – auch, oder gerade in der Kunst.

F.W.Kasten

only in german

Ingrid Hartlieb
"Das System der Dinge"