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Immortalismus
15.09.2017 – 29.10.2017

Eröffnung: Freitag, 15.09. um 19 Uhr
Einführung: Heinrich Dietz, Direktor

Mit Werken von: Ivana Bašić, Harm van den Dorpel, Cécile B. Evans, Pakui Hardware, Lina Hermsdorf, Kitty Kraus, Oliver Laric, On_Kawara, Dominik Sittig, Anton Vidokle, Tchelet Weisstub

Die Ausstellung Immortalismus führt Arbeiten zeitgenössischer KünstlerInnen zusammen, die unterschiedliche Perspektiven auf Visionen, Technologien und Ideologien zur Überwindung des Todes öffnen. Einen historischen Hintergrund bilden die utopischen Projekte zur Abschaffung der menschlichen Sterblichkeit von Nikolaj Fedorov und des Russischen Kosmismus der frühen Sowjetzeit. Sie werden in der Ausstellung vorgestellt und aktuellen, transhumanistischen Visionen gegenübergestellt.

Unter der Parole „Immortalismus und Interplanetarismus” forderten 1922 die Moskauer Biokosmisten nicht weniger als die sofortige Aufhebung der zeitlichen und räumlichen Begrenztheit des menschlichen Lebens. Sie stehen damit in der Tradition des russischen Philosophen Nikolaj Fedorov: 
Er sah die Überwindung der Sterblichkeit als zentrale Aufgabe der Menschheit, die sich mit Hilfe von Wissenschaft und Technik umsetzten ließe und mit dem Ausgreifen ins Weltall einhergehen sollte. Unter der Obhut eines Staates, der zum Museum wird, würde die Natur in ein menschengemachtes Kunstwerk umgeformt werden. In der frühen Sowjetzeit griffen Theoretiker, Wissenschaftler und Aktivisten Fedorovs Ideen auf. Dabei vereint die Kosmisten der Glaube an eine rationale Umgestaltung des Gegebenen, die in der Abschaffung des Todes und Eroberung des Kosmos ihre Vollendung findet.

Entwicklungen der künstlichen Intelligenz und Biotechnologie befeuern heute wieder Projekte einer Aufhebung der zeitlichen Beschränkung des menschlichen Lebens. Solche Vorhaben, menschliche Begrenztheiten mit technologischen Mitteln zu überwinden, bilden den Kern aktueller, transhumanistischer Ideen. Doch während die Kosmisten die Aufhebung des Todes aller Menschen als drängende, „gemeinsame Tat“ einforderten, stehen viele aktuelle transhumanistische Heilsversprechen unter dem Vorzeichen der Selbstoptimierung.

Einen unmittelbaren Bezug zu Nikolaj Fedorov und der Ideenwelt des Russischen Kosmismus schafft das neue Video “Immortality and Resurrection for All!” (2017) von Anton Vidokle. Der Film inszeniert Texte von Fedorov, in denen er das Museum als Ort der physischen Wiederherstellung theoretisiert. Die Gemälde von Dominik Sittig konterkarieren die Idee einer Lebendigkeit, die sich vermeintlich in gestischer Malerei manifestiert. Oliver Larics Relief „Life Masks“ (2016) basiert auf Scans von Lebend-Masken bekannter Hollywood Schauspieler. Die inszenierte Lebendigkeit von Stars wird hier zum reproduzierbaren Datencode. Von Cécile B. Evans wird eine neue Episode aus der Video-Arbeit „Amos’ World“ (2017) gezeigt, eine Allegorie auf unsere Netzwerkgesellschaft und den Versuch, komplexe Systeme rational zu kontrollieren. Für „Death Imitates Language“ (2016) hat Harm van den Dorpel eine künstliche Intelligenz programmiert, die mehr und mehr die kreativen Entscheidungen des Künstlers verinnerlicht und ihn schließlich ganz ablösen kann. Pakui Hardware richten in ihrer futuristischen Installation das Augenmerk auf die künstliche Reproduktion von Leben und die ökonomischen Interessen hinter transhumanistischen Zukunftvisionen. Ivana Bašićs Skulpturen aus Wachs und Silikon machen die Schwächen und Mängel eines ineffizienten Körpers sichtbar, die seiner vollständigen Optimierung entgegenstehen. Die Videoinstallation "I don’t believe in death" (2016) von Tchelet Weisstub hinterfragt die Verleugnung von Verfall und Altern als Triebfeder des technologischen Fortschritts. In der Soundinstallation „Antonia“ (2017) setzt sich Lina Hermsdorf ausgehend von J.L. Borges Erzählung „Der Unsterbliche“ mit Formen einer unvergänglichen, virtuellen Existenz auseinander. In einem enigmatischen Video-Loop fängt Kitty Kraus die Idee einer ewigen Gegenwart ein, in der das entscheidende Ereignis auf immer aufgeschoben bleibt: Ein Tonabnehmer neigt sich langsam zur drehenden Schallplatte ohne diese je zu erreichen.

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Rahmenprogramm

Sa, 16.09., 15 Uhr
Gutes Sterben – Falscher Tod / Immortalismus
Führung mit Heinrich Dietz und Finn Schütt,
Start im Museum für Neue Kunst

Mi, 20.09., 19 Uhr
Werden wir irgendwann ewig leben? Vortrag und Gespräch mit Dr. Oliver Müller, Universität Freiburg, Philosophisches Seminar, Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools, Partner: Museum für Neue Kunst

Do, 05.10., 19 Uhr
Führung

Mi, 11.10., 19 Uhr
Gespräch mit der Künstlerin Lina Hermsdorf

So, 15.10., 14 Uhr
Kinderworkshop
(um Anmeldung wird gebeten)

Di, 17.10., 19 Uhr
„Sterbliche aller Länder, vereinigt euch!” – Russische Projekte zur Überwindung
des Todes, 1900–1930
 Vortrag von Prof. Dr. Michael Hagemeister, Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für osteuropäische Geschichte

So, 29.10., 15 Uhr
Direktorenführung mit Heinrich Dietz