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Die aktuelle Ausstellung der Galerie Claudia Delank befasst sich mit der künstlerischen Bearbeitung von Märchen und Märchenmotiven. Als strukturale Bausteine liegen jene Mytheme nicht nur Märchen und Volkssagen zugrunde, sondern lassen sich ebenso in Mythen, Religionen, im Aberglauben und Totemismus, im Traum und in psychotischen Zuständen entdecken. Diese Häufung von immer gleichen Motiven verweist auf deren Herkunft aus dem kollektiven Unbewussten. Jedoch weniger als starre Archetypen denn als selbst dem Wandel unterworfene Kollektivsymbole bewahren sie ihre Aktualität. So ist das Streben immer neuen banalen, jedoch verlockenden oder Glück verheißenden Gütern Teil der postmodernen Massenkultur, wobei sich das Begehren jedoch als ein unstillbares erweist und den Mangel am Sein des Subjekts der Postmoderne enthüllt. Fragen nach Ursprung, Autorschaft, Repräsentation und Identität, die seit jeher Thema von Mythen und Märchen sind und beispielsweise im zu erratenden Namen des Rumpelstilzchens zum Ausdruck kommen, bilden in poststrukturalistischen Theorie die wichtigsten Kategorien der Problematisierung und erhalten im Zeitalter von Cyberspace und künstlichen Identitäten, in der Diskussion um Roboter und Gentechnik neue Aktualität.

Die paarweise angeordneten Photographien von Ute BEHREND aus ihrer Serie Fairy Tales isolieren solche kollektiven Motive aus dem narrativen Zusammenhang eines konkreten Märchens. In neuer suggestiver Zusammenstellung mit Motiven aus der modernen Warenwelt bis hin zu Kitsch hinterfragen sie kritisch Klischees und Rollenmuster. Diese modernen Assoziationen zeigen, wie die Archetypen selbst als kollektive Symbole dem Prozess der Wandlung unterworfen sind und gleichsam transformiert in unserer Gesellschaft weiter wirken. Dagegen greifen die Zeichnungen und Ölskizzen von Andreas BAUSCH Märchenmotive wie Schneewittchen oder Spiegel thematisch auf, um sie zu einer eigenen Formensprasche zu verwandeln.

Mit Märchen der Gebrüder Grimm und Hans Christian Andersens befasst sich Miwa YANAGIS Serie Fairy Tales - The Incredible Tale of the Innocent Old Lady and the Heartless Young Girl. Die Schwarzweiß-Photographien, die in ihrer theatralischen Inszenierung an Film noir- Klassiker denken lassen, untersuchen das Verhältnis der Figuren des jungen Mädchens und der alten Frau im Märchen. Der unheimliche Charakter der surreal anmutenden Szenerien verdankt sich jedoch nicht nur dem Thema der Märchen selbst, sondern vor allem den Transformationsprozessen und Konflikten, die Miwa YANAGI innerhalb einer einzigen Person stattfinden lässt. Eigenschaften, die im Märchen in mehreren eindimensionalen Figurentypen personifiziert auftreten, verdichten sich in Miwa YANAGIS Photographien in einer einzigen Person. Hässlich verzerrte, gealterte Gesichter verschmelzen mit einem jugendlich – erotischen Körper zu einem unheimlichen Hybrid. Darüber hinaus finden sich Verkehrungen der Täter- und Opferrollen der Märchen, Verwischungen von Unschuld und Bösem. Neben der Thematisierung von zerreißenden Identitätskonflikten hinterfragt Miwa YANAGI nicht zuletzt auch Kategorien von Gender und Alter.

Die innere Verbundenheit von Mensch und Natur, die im Märchen besonderen Ausdruck findet, einerseits sowie die Verwurzelung universeller Mytheme im kollektiven Unbewussten des Menschen andererseits bilden das Sujet der beiden Arbeiten von Lissy WINTERHOFF. Ihre Arbeiten zu dem Märchen Brüderchen und Schwesterchen entstanden aus der Auseinandersetzung mit der tiefenpsychologischen Märcheninterpretation Eugen Drewermanns. Die Einzelblätter sind mittels Schriftpassagen miteinander verbunden. Hierin verweisen sie auf die individuelle und bewusste Ebene, die sich in der Ordnung der Sprache / Schrift verdeutlicht. Der interkulturelle wie intersubjektive Zusammenhang wiederum wird durch den Bilderfries am oberen Blattrand hergestellt, der aus einer Reihung von Photographien besteht, welche eine kleine maltesische Terrakottaplastik aus dem Neolithikum zeigen.

Der Photographie-Zyklus Sie sind ja eine Fee, Madame geht auf ein Kunstmärchen von Georges Sand zurück. Überarbeitete der Photographien von überwucherten Gebäuden des 18. Jahrhunderts spiegeln die Überlagerung die verschiedenen Realitätsebenen des Märchens sowie die Entwicklungsstufen seiner Protagonistin wider. Hierzu zählt auch die symbolische Ordnung der Sprache, auf welche die handschriftlich wiedergegebenen Märchenpassagen anspielen.

David HOCKNEYS Radierungen zu den Märchen der Gebrüder Grimm sind eher Interpretationen als Illustrationen. Einzelne Figuren wurden durch die Darstellungen berühmter Vorbilder wie Leonardo da Vinci, Albrecht Dürer, Hieronymus Bosch, Pieter Breughel oder René Magritte inspiriert und weisen darin über die narrative Einheit des Märchens hinaus. Ausgangspunkt seiner Arbeiten waren teilweise sprachliche Formulierungen, die das Bindeglied für assoziative Verknüpfungen mit der Kunstgeschichte bilden. So beleuchtet HOCKNEY auf spezielle Art die sprachliche Strukturierung des Unbewussten, dem die Märchenmotive entstammen.

Eun-Nim RO widmet sich in ihren Arbeiten dem künstlerischen Prozess als solchen, wobei sie einen Zusammenhang zwischen der schöpferischen Schaffensakt und der Natur als allen Dingen inhärentes Prinzip herstellt. Die innere Verwobenheit aller belebten Dinge, die darin besteht, eben diesen Naturkräften des Hervorbringens und des ewigen Wandels unterworfen zu sein, findet einen ihren Ausdruck sowohl in der Darstellung von hybriden Fabelwesen, Märchengestalten und Schamanen als auch im Duktus ihrer Malerei, der seine expressive, ständiger Veränderung unterworfene Ausführung erkennen lässt.

Die Ausstellung zeigt außerdem farbige Lithographien des koreanischen Künstlers Mansu KIM,die Drachenschlangen darstellen, die an Tempelschnitzereine von farbig gefaßten Schutzdrachen an koreansichen Zentempeln erinnern. Josef P. WERNER, eine junger Maler der Düsseldor der Düdsseldorfer Akademie, hat mit der grossen Arbeit "Zeitloch" das japanische Märchenthema von "Urashima Taro" illustriert, sowie mit seinem Diptychon "Truhe". Die japanischen Farbholzschnitte des 18. und 19. zeigen Variationen des Märchenthemas "Urashima Taro" von Utagawa Kunisada und Utagawa Kuniyoshi, die mit ihren sprechblasenartigen Kompositionselementen als Vorläufer japanischer Comics anzusehen sind. Der Farbholzschnitt des Malers und Holzschnittmeisters Ogata Gekko (1859 - 1920), illustriert das japanische Märchen der Fuchsbraut. (Zur Ausstellung erscheint ein Katalog)

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Im Palast der Drachenkönigin
Märchenprojekte von Andreas Bausch, Ute Behrend, David Hockney, Mansu Kim, Josef P. Werner, Lissy Winterhoff, Miwa Yanagi sowie Japanische Farbholzschnitte des 18. und 19. Jahrhunderts