press release only in german

Anlässlich des 50. Geburtstages schöpft der Bonner Kunstverein aus seiner Geschichte und hat für die Jubiläumsausstellung Künstlerinnen und Künstler eingeladen, auf eine Besonderheit des bisherigen Ausstellungsprogramms zu reagieren: Schon früh und „deutlich konträr zum damaligen Machismo“ (Jürgen Harten, 2010) stellte der Kunstverein konsequent weibliche Positionen des zeitgenössischen Kunstgeschehens vor. IHRE GESCHICHTE(N) untersucht das Vermächtnis künstlerischer Strategien, welche Künstlerinnen seit den 60er Jahren entwickelt haben, anhand der in den letzten 50 Jahren vom Kunstverein organisierten Ausstellungen. Die Vielfalt der Werke reicht von Videos bis zu Performances, Gemälden, Kostümen, Sex Toys, Büchern, Marionetten und Tapeten. Verschiedene Arbeitsweisen, Kontexte und Fragestellungen treffen so nicht nur aufeinander, sondern finden in den Exponaten unterschiedlicher Generationen die Grundlage für einen Dialog, der unerwartete Perspektiven in die Gegenwart zeichnet.

Die Künstlerinnen und Künstler entwickelten größtenteils neue Projekte, die eine vielschichtige Auseinandersetzung mit dem Körper reflektieren und zuweilen eine performative Dimension beinhalten. Manche Beiträge entstanden kollaborativ, andere heben hervor, wie von Frauen aufgeworfene Fragen und Strategien in die Praxis von männlichen Kollegen eingeflossen sind. Gemeinsam fragen sie danach, wie sich Status, Rolle und Selbstbewusstsein der Frauen in der bildenden Kunst gewandelt haben, und erinnern daran, wie die Debatten des Feminismus das Kunstfeld in den vergangenen Dekaden veränderten. Der Ausstellungstitel leitet sich von dem Neologismus „Herstory“ ab, eine Terminologie, welche die US-amerikanische Feministin, Autorin und Verlegerin Robin Morgan 1970 als Gegengewicht zu „History“ prägte. Mit dieser rief sie zu einer alternative Geschichtsschreibung auf, in welcher Frauen als aktiv Beteiligte ihren Platz finden können. Ein begleitendes Symposium mit Künstlern und Wissenschaftlern am 23. Juni wird dieser Aufforderung folgen und sowohl historische als auch gegenwärtige Diskussionen ansprechen.

In der Auseinandersetzung mit der Ausstellungsgeschichte des Kunstvereins erkannten manche der eingeladenen KünstlerInnen Orientierungspunkte ihrer eigenen Praxis, andere fanden eine Komplementarität oder nähere Verwandtschaft. NICOLAS PARTY (1980, Schweiz) präsentiert seine Stilleben beispielsweise in Verbindung mit Gemälden von Männern und Frauen der Künstlerin MIRIAM CAHN (1949, Basel), die gemeinsam einen Dialog um Körperlichkeit und inneren Raum führen. RITA McBRIDE (1960, Iowa) hat zusammen mit MARLENE DUMAS (1953, Kapstadt) ein Bild entwickelt, das sie in einer erweiterten Präsentation mit Arbeiten von MELISSA GORDON (1981, Boston), PETRA MAITZ (1962, Österreich) und ANNE PÖHLMANN (1978, Dresden) verorten. Hingegen hat MONIKA BAER (1964, Freiburg im Breisgau) beschlossen, als ehemalige Peter Mertes Stipendiatin sich selbst als Bezugskünstlerin zu nehmen, und führt mit der Präsentation früherer Bilder den Prozess der Hinterfragung der eigenen künstlerischen Identität fort. CHRISTIAN FALSNAES (1980, Kopenhagen) sieht eine Verbindung zwischen seinen gefilmten Performances, die mit Bonnern vor Ort entstanden sind, und MARIANNE WEXs (1937, Hamburg) poetischem Versuch, Geschlechtstypologien aufzuzeichnen. DIANGO HERNANDEZ (1970, Kuba) traf in der Praxis von FRIEDERIKE TEBBE (1961, Hannover) auf eine verwandte ikonoklastische wie emotionale Art, mit Architektur umzugehen. In ihren theatralischen Performances und Videos fühlte sich SPARTACUS CHETWYND (1973, London) KATHARINA SIEVERDINGs (1944, Prag) Mut inspiriert. SUSE WEBER (1970, Leipzig) begleitete über längere Zeit das Buch zu CHARLOTTE SALOMONs (1917, Berlin, †1943, Auschwitz-Birkenau) Zyklus „Leben? oder Theater?“ und fragt weiterhin, wo diese Trennung in der Gesellschaft und im Alltag liegt. Die aus der Ausstellungsgeschichte ausgewählten Künstlerinnen werden mit eigenen Werken Teil der Gruppenpräsentation oder das Rahmenprogramm begleiten.

In Verbindung mit dem zentralen Symposium fordert die Ausstellung IHRE GESCHICHTE(N) dazu auf, wichtige Jahrzehnte der Kunst- wie Ausstellungsgeschichte des Vereins neu zu entdecken. Sie schlägt Brücken zwischen Generationen, betont die kontinuierliche Relevanz historischer Themen sowie deren Entwicklung über die Jahre in neue Fragestellungen. Und gerade jetzt, im Jahr des 50. Jubiläums, gilt es mehr denn je zu fragen: Welche Basis hat unsere Geschichte für die Gegenwart gelegt?