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Ian Kiaer. Endnote, yellow

Ausstellung: 14. November 2020 – 6. Februar 2021 Verlängert bis 17. April 2021

In seiner zweiten Einzelausstellung in der Galerie Barbara Wien zeigt Ian Kiaer mehrere Werke, die er über einen Zeitraum von sechs Jahren entwickelt und immer wieder an die verschiedenen Raumsituationen seiner Ausstellungen angepasst hat. Dazu gehört die Installation Tooth House, ceiling (2014–20), die er für das Henry Moore Institute in Leeds konzipierte und die seitdem für drei andere Institutionen modifiziert und überarbeitet wurde (Focal Point Gallery, Southend-on-Sea; Kunsthalle Lingen; Heidelberger Kunstverein). Der Titel bezieht sich auf ein Projekt des österreichischen Architekten Friedrich Kiesler, das Tooth House, mit dem Kiesler biomorphe Überlegungen und tierische Gestaltungsformen in eine aus seiner Sicht zunehmend sterile Moderne einbringen wollte. Kiaers Tooth House, ceiling ist sowohl Modell als auch Zeichnung und architektonische Struktur, die sich ständig verändert. Bei jeder Neuinstallation passt sich das Deckendiagramm nicht nur an den jeweiligen Raum an, es vermehren sich auch Flecken, Markierungen und Risse in der Zeichnung.

Endnote, ping (de Bretteville/Asimov) (2019) gehört zu Kiaers Projekt, das sich mit Architekturideen der amerikanischen Westküste der frühen 70er Jahre befasst. Als Teil einer losen Bewegung der „Hippie-Moderne” konzentrierten sich die Protagonisten auf utopische Ideen zum gemeinschaftlichen Wohnen. Peter de Bretteville arbeitete zusammen mit den Drehbuchautoren Richard Simon und Dyanne Asimov an einem Haus. Ihr Ziel war, eine Lösung des Bauens zu finden, die die Möglichkeiten des gemeinschaftlichen Wohnens und des autonomen Lebens jedes Einzelnen auslotete. In dieser mehrteiligen Skulptur wird das Video eines Vortrags von de Bretteville an die Innenseite eines aufblasbaren Objekts projiziert, das selbst als ein biomorpher Vorschlag für ein Wohnhaus gelesen werden kann. Aufblasbare Objekte, „Inflatables”, sind eine immer wiederkehrende und sich ständig verändernde skulpturale Form im Werk von Ian Kiaer. Die neuesten Inflatables sind Endnote, limb, das er am 3. Oktober 2020 zur Nuit Blanche in Paris im Außenbereich über einem Wasserbecken zwischen dem Musée d‘Art Moderne de la Ville de Paris und dem Palais de Tokyo zeigte, und Endnote ping, Marder (pale), ein großes Inflatabale, das Kiaer für seine Einzelausstellung im Heidelberger Kunstverein entworfen hat. Endnote ping, Marder (pale) besteht aus einer dünnen, gelblichen Plastikhaut, die aufgeblasen einen großen Teil der Hauptgalerie des Kunstvereins einnahm, sie reichte vom Boden bis zur 6 Meter hohen Decke. In der Berliner Ausstellung Endnote, yellow bringt Kiaer dieses Inflatable nun in einem viel kleineren Raum im Erdgeschoss unter, wo es, gequetscht und eingeengt, den Raum ausfüllt. Der Titel der Arbeit bezieht sich auf den zeitgenössischen Philosophen Michael Marder und ist beeinflusst von dessen Gedanken über Pflanzen – sie verweist auf die Möglichkeit eines „pflanzlichen Denkens” als Anstoß für radikale Architektur.

Kiaer verwendet häufig den Begriff „Endnote” in den Titeln seiner Projekte. Er spricht dabei eine Form des Schreibens an, die außerhalb des Hauptteils eines Textes liegt. Diese Randnotizen dienen als Anmerkungen, Erklärungen zu dem, was bereits gesagt wurde, und ermöglichen eine Verbindung von Ideen, die aus Fragmenten besteht, deren Anordnung nicht gleich offensichtlich ist. Wenn man dieses Verständnis des Fragmentarischen auf Kiaers Arbeit anwendet, eröffnet sich ein Raum für Veränderungen und Überarbeitungen. Die Arbeiten berühren sich – es entstehen wechselseitige Beziehungen zwischen Malerei, Inflatables, Video und architektonischen Strukturen. Wie der Titel der Ausstellung andeutet, veranschaulichen die Werke der Ausstellung auch die Farbe gelb. Allerdings geht es Kiaer dabei weniger um die unterschiedlichen Farbtöne als um die Art und Weise, mit welchen Materialien und Qualitäten der Betrachter die Farbe Gelb assoziiert.

Die neue Monografie „Ian Kiaer: Endnote, tooth” ist soeben erschienen. Sie enthält Texte von Fabrice Hergott, François Piron, Christiane Rekade und Illustrationen von Werken von 2010 bis heute (herausgegeben von Archive Books, Berlin 2020, 38 Euro).

Ian Kiaer (* 1971 in London, UK) lebt und arbeitet in Oxford. Er hatte zahlreiche internationale Einzelausstellungen, u.a. im Heidelberger Kunstverein, Heidelberg (2020); Kunsthalle Lingen (2019); Musée d‘Art Moderne in Paris (2017), Neubauer Collegium, Chicago (2016); Henry Moore Institute, Leeds und Focal Point Gallery, Southend-on-Sea (beide 2014); Centre International de l‘art et du Paysage, Vassivière (2013); Aspen Art Museum (2012); Kunstverein München (2010); und Galleria d‘Arte Moderna e Contemporanea, Turin (2008).
Kiaer hat an Gruppenausstellungen teilgenommen, darunter in der GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Bremen; Modern Art Oxford; frac île-de-france, Paris; Mudam Luxemburg; Tate Modern und Tate Britain, London; Hammer Museum, Los Angeles; Hayward Gallery London; sowie auf Biennalen in Rennes (2012), Lyon (2009), Istanbul (2007), Berlin (2006) und Venedig (2003).