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Das EDITH-RUSS-HAUS für Medienkunst zeigt mit der Einzelausstellung Discrete Farms - Irgendwo muss das Fleisch doch herkommen des Künstler-Duos Hörner/Antlfinger eine engagierte Position aktueller Medienkunst. Die neuste Produktion factory≠farm (2011-2012) stellt eine konsequente Fortsetzung ihres Werkes dar, in dem die beiden seit den 1990er Jahren politisch brisante Themen erörtern und kritische Perspektiven auf die Technisierung unserer Lebenswelt eröffnen. Das gesamte Œuvre verhält sich dabei äußerst kommunikativ: in so unterschiedlichen Formaten wie 3-D-Animationen, (virtuellen) Dialogen, Puppenspiel-Adaptionen, Soundskulpturen und Videoarbeiten zeigt sich das Künstler-Paar erfindungsreich in der Transformation akuter, gesellschaftlicher Problematiken.

Im oberen Ausstellungsraum präsentieren Hörner/ Antlfinger ihr Stipendiumsprojekt factory≠farm, in dem die niedersächsische Tierindustrie als lokales Beispiel für das heikle Verhältnis zwischen Menschen und nichtmenschlichen Tieren im Computerzeitalter herangezogen wird. In seinen Recherchen hat das Künster-Duo medialen Erscheinungen und dem Phänomen der Intransparenz dieser Nahrungsmittelindustrie nachgespürt. Bauer Kybers Ops Room lädt dazu ein, sich von der gemütlichen Eckbank aus die grafisch anspruchsvolle Simulation einer 50.000 Hähnchen Mastanlage anzusehen.

In unmittelbarer Nähe steht Kramfors, ein naturalistisch modelliertes Kalb, dem nach systematischer Zerlegung einer Leder-Couch eine neue Haut gefertigt wurde.

In ihrer neusten Videoarbeit treten zwei aktivistische Hasenpuppen als Alter Egos des Künstlerpaars in einen Dialog über alternative Modelle zum Fleischkonsum, eine stetige Kommunikationsform im Werk von Hörner/ Antlfinger, die als künstlerische Methode und im gemeinsamen Planen und Umsetzen von Konzepten Gedanken zur Entfaltung verhilft. Anstelle von Schockbildern tierlichen Elends, entwickeln die beiden – den eigenen erzieherischem Eifer ironisch kommentierend – absurde Bilder und Installationen, surreale Gegenüberstellungen von Ideen des ländlich-idyllischen Bauernhofs und den realen „Black-Boxes“ der Massentierhaltung, die in unsichtbaren Prozessen diskreter Fertigung marktkonforme Fleischerzeugnisse, wie z.B. beinahe serielle Hähnchenbrust „entstehen lassen“.

Ein „schneller Brüter“ ist auch die Grundlage der Installation Dream Water Wonderland (2010). Der sogenannte Brutreaktor des Atomkernkraftwerks Kalkar am Niederrhein schien in den 1970er Jahren die Antwort auf steigenden Strombedarf in Deutschland. Der hochtechnologische Traum platzte und hinterließ einen absurden Standort gescheiterter Technikgeschichte, der heute als Freizeitpark umgenutzt wird. Dream Water Wonderland nutzt diese dissonante Kulisse in einem Installations-Ensemble, das begleitet wird von einer Erzählung über energiebedürftige Vogelwesen, die eine absonderliche Synthese aus technischer und biologischer Welt verkörpern.

Die zweiteilige Rauminstallation Contact Call (2008) macht ähnliche Überschreitungen technologischer und natürlicher Sphären klanglich erfahrbar: Die effektivsten „Lockrufe“ unserer Zeit, nämlich Handyklingeltöne, gehen von der Installation aus. Contact Call verbindet Sound- und Klangskulptur und entfacht einen betörenden Wettbewerb um die Aufmerksamkeit der Besuchenden. Erst beim Herantreten an die Installation wird deutlich, wer die Urheber des Getöses sind, das in Kunstausstellungen meist eher als Störung empfunden wird.

Das umfangreiche, begleitende Rahmenprogramm zur Ausstellung ergänzt die ausgestellten Positionen um die aktivistische Praxis veganer Lebensweise im lokalen Oldenburger Zusammenhang, in dem auch die kritisierten Fleischfabriken zu finden sind.

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Hörner / Antlfinger
Discrete farms
Irgendwo muss das Fleisch doch herkomme