press release only in german

Fünf große, schwarze Bilder in einem Raum. Acryl und Lack auf Baumwolle, im Format 210x150cm. Die Flächen der Bilder bestehen aus Streifen gleicher Pinselstärke. Sie wirken unruhig, scheinen miteinander zu kommunizieren. Die Bilder haben eine außerordentliche Präsenz, und trotzdem verweigern sie sich, wollen sich der Betrachtung entziehen. Der Künstler Holger Endres öffnet in ihnen zwar Räume, doch bleiben diese zunächst verborgen. Er gesteht sich dabei nicht viel Freiraum zu. Das Format und die Produktionsform sind streng gewählt. Das Ergebnis muss allerdings offen bleiben, ist ohnehin nicht kontrollierbar. Endres konzentriert sich beim Malen voll auf die Linien und auf die Nichtfarbe Schwarz. Schwarz gilt ihm als neutrale, aber auch energetische Farbe. Die Abwesenheit von Licht erzeugt ein Gefühl der Leere. Der Betrachter soll seinen Blick ganz auf den Pinselduktus und ein mögliches „Dahinter“ richten. Endres verzichtet bewusst auf Hilfsmittel bei der Produktion. Die Leinwand muss so roh wie möglich sein, allenfalls eine transparente Grundierung ist erlaubt. Jede farbliche Grundierung wäre schon ein fertiges Bild an sich. Die schwarzen Linien sind freihand, einziger Anhaltspunkt ist der Bildträger selbst. Innerhalb dieser enormen Konzentrationsleistung entstehen die unterschiedlichen Texturen der Bilder. Der vertikale, von oben nach unten verlaufende Pinselduktus reißt immer wieder ab und wird neu angesetzt. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen Farbverlust und Dichte.

Jedes einzelne Bild wirkt beliebig zusammengefügt wie mehrmals editiertes, altes Filmmaterial. Es fluktuiert, irritiert und bildet ganz eigentümliche Muster, die durch den helleren Auslauf des Pinselstrichs hervorgehoben werden. In dieser Form direkter Malerei gibt es keine Nachbearbeitung. Das Unmittelbare wird sichtbar gemacht, dem Betrachter ganz klar offengelegt, wie das Bild entstanden ist. Jedes der fünf Bilder ist Ausschnitt eines großen Ganzen. Die Linien könnten in alle Richtungen expandieren, eine Begrenzung findet nur durch den Bildträger statt. Diese geographisch und zeitlich sehr fixierte Produktionsweise machen die Bilder zu einem Teil des Künstlers. Und genau so, wie man verschiedenen Lebensabschnitten keinen Namen geben möchte, darf auch das Werk selbst keinen Titel tragen. Die Identifizierung und Benennung bleibt allein dem Betrachter vorbehalten. Durch die von jeder Aussage befreite Struktur der Bilder wird er allerdings zuerst aus dem Bildraum herausgehalten. Sie wirken auf den ersten Blick abweisend, sind ganz einfach geschlossene Flächen mit schwarzen Linien, bieten daher keinerlei Fluchtoder Anhaltspunkte. Der Versuch des Betrachters, mit ihnen aus der Distanz zu kommunizieren, scheint unmöglich: Er prallt förmlich von ihnen ab. Doch führt ihn der fortwährende Dialog zur Eigentümlichkeit jedes einzelnen Bildes, die Unterschiede werden allmählich wahrgenommen. Der Betrachter rückt näher.

Und ähnlich wie bei „Alice hinter den Spiegeln“ wird er in eine verborgene Welt, in ein „Dahinter“ gesogen, in dem er nur ihm bekannte Formen und Muster erkennt. Es ist ein Reflex: Die Suche nach erkennbaren Mustern ist in der menschlichen Psyche festgelegt.

Holger E. Karst

only in german

Holger Endres