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Yvonne Buchheim hat sich in ihrem Projekt "Die singende Stadt" auf die Suche nach den Liedern Weimars begeben. Sie hat das Liedgut der Weimarer per Audio und Video dokumentiert - Lieder und Liedfetzen verschiedenster Stilrichtungen und Sprachen wurden auf Straßen, in Parks, Schulen und Wohnungen aufgenommen. Diese Bestandsaufnahme wurde zur stichprobenartigen Annäherung an den Begriff der Nationalkultur, der wie der des Volksliedes von Johann Gottfried Herder geprägt wurde. In dessen Sammlung der "Stimmen der Völker in Liedern" vertritt er die Ansicht, dass sich die kulturellen Eigenheiten der Menschen in ihren Liedern widerspiegeln. Wie hören sich diese Theorien im Jahre 2004 an, nachdem Liedgut und Volkspoesie als Formen des nationalen Erbes auch düstere Geschichtskapitel durchklangen, nachdem das Liedgut der ganzen Welt nun jederzeit allen zur Verfügung steht, nachdem nicht nur die Deutschen die Lieder der anderen Nationen besser kennen als ihre eigenen? Yvonne Buchheim, die in Dublin und Bristol lebt, bekam die Verunsicherung mit ihrer deutschen Identität spätestens dann am eigenen Leib zu spüren, als sie im Ausland "von einer angeheiterten Meute mit viel Witz und Überredungskünsten dazu angehalten wurde, ein deutsches Lied zum Besten zu geben". Inwieweit kulturelle Identität in Liedern sichtbar wird, kann man in einer Rauminstallation erkunden, in der Yvonne Buchheim die Weimarer Aufnahmen mit Sängern aus England kombiniert hat. Auf fünf Monitoren, die nacheinander über 200 Singende zeigen, wird durch die Trennung von Bild und Ton die richtige Zuordnung in Frage gestellt. Äußere Erscheinungsmerkmale wie Alter, Kleidung und Gestik werden zur Grundlage für die Zuordnung. Wer die Herkunft der Sänger/innen nicht bestimmen kann, dem bleibt die Möglichkeit, in einem bereitliegenden Indexbuch nachzuschlagen. Eine Auswahl an Interviews mit Weimarer Einwohnern über das Liedgut und ihre Singgewohnheiten eröffnet aufschlussreiche Hintergrundinformation. Weitere Arbeiten zum Thema umfassen deutsche Nationalhymnen, irische Lieder und eine Installation, die dem Besucher langvergessene Melodien auf die Lippen bringen, die dann Teil der Arbeit werden können…

Der Hallenser Künstler Gabriel Machemer hat das Thema des 9. Europäischen Atelierprogramms herkunft niemandsland, gewidmet Johann Gottfried Herder, während seines Weimar-Aufenthalts kulturhistorisch und literaturwissenschaftlich erforscht. Mit den entstandenen Texten Auf dem Hügel der Hinauszögernden, Die Stadt der Hypochonder, Hamann, Herder und die Himmelsleiter, die als gleichnamige Schattentheatervorstellungen im Garten des Weimarer Atelierhauses im Sommer 2003 ihre Premiere erlebten, hat Machemer in Zusammenarbeit mit Radio Lotte Hörproduktionen erarbeitet. In einer Leseecke der Ausstellung lässt Machemer diese Hörgeschichten in alten Röhrenradios abspielen und zeigt in einer Installation die Figuren seiner Schattentheaterinszenierungen. Eine Broschüre mit den Texten, Kohlezeichnungen zu Herder und Ölbilder, im Weimarer Atelier entstanden, gehören zu seinen ausgestellten Arbeiten.

"Niemandsland ist das Land der Ignoranz, das sich erzählt, global, universell und unbestimmt zu sein, weil es Angst hat vor der eigenen Identität, die gerade der einzige Garant des Universellen wäre." Weitzel thematisiert Herkunft und Niemandsland mit Vögeln, Nistkästen und Vogelhäusern in dem zentralen Environment In dichter Nähe, so weit (Hommage an Louis Saguer), das als Voliere gestaltet wird. Die Besucher können den mit Skulpturen, Zeichnungen und Schrift strukturierten Raum betreten. Wo sind Zugvögel zuhause? Was nährt sie? Bedeutet ein Käfig ein Land? Was unterscheidet einen Vogel vom anderen? In der altarähnlichen Installation Dein Reich komme, Dein Wille geschehe zeigt ein Doppelvideo eine Vater- und eine Mutterfigur in ihrem jeweiligen Zuhause. Die Verquickung von familiärer Identität, Intimität und Mythologie mit Nationalwerten und kultureller - besonders sprachlicher - Verwurzelung ist der immer wieder ureigenste Brennpunkt des Individuums. "'Origin'. Das Originale und das Originel- le in der Gegenwart sind dann möglich, wenn die Herkunft geklärt ist. 'Wo gehst du hin?' wird dann wichtiger als 'Wo kommst du her?'" Die großformatige Zeichnung Weimar?! Niemandsland entstand an und für Weimar. In Referenz zu einer Postkarten- und Posteransicht der Stadt, auf der Fassaden des klassischen Weimar in gutbürgerlicher Ordnung verzeichnet sind, entwirft dieses Werk anhand der Architektur des 20. Jahrhunderts die Lektüre einer in sich geschlossenen Geschichte vom Niemandsland Weimar. In ergänzenden Dokumenten wird Einblick gegeben in Weitzels Aktionen und Schriften, die während seines Weimar-Aufenthaltes entstanden sind und in lokale als auch nationale Debatten eingegriffen haben.

Mit freundlicher Unterstützung der Stadt Weimar, des Thüringer Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst, der Sparkasse Mittelthüringen, des ACC-Förderkreises. Kontakt: ACC Galerie, Tel. 03643/851261 (*) Ausschreibungstext im ACC-Faltblatt Februar 2003 und über acc-weimar.de Pressetext

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herkunft niemandsland
Ausstellung zum 9. Europäischen Atelierprogramm der ACC Galerie und der Stadt Weimar (2003*)
mit den Stipendiaten:
Yvonne Buchheim (Dublin), Gabriel Machemer (Halle/Saale) und Stephan Weitzel (Paris)
Malerei, Fotografie, Video, Installation