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'Here we go' verbindet zehn international ausgewiesene Künstler aus Nordrhein-Westfalen: Andreas Bee, Thomas Bernstein, Doris Halfmann, Werner Haypeter, Thomas Klegin, Mathias Lanfer, Wilhelm Mundt, Wolfgang Nestler, Bettina Pousttchi und Paul Schwer. Ihre Beiträge reichen von der unmittelbaren Zwiesprache mit der historischen Bausubstanz, bis zu den Folgen des Maschinenzeitalters in den Technologien der Ggenwart. In den Zeiten des Informationsüberflusses suchen die Beteiligten poetisch-kontemplative Antworten. 'Here we go' lädt zur Befragung der Gegenwart ein und zum Nachdenken über eine Zukunft, die aseptisch und manipulierbar erscheint, sich ohne die Unwägbarkeiten der Natur aber noch nicht denken lässt.

Die lange Zeit ungenutzte Maschinenhalle Zweckel bietet den Künstlern Gelegenheit, mit temporären Werken auf eine ungewöhnlicheRaumsituation einzugehen. Denn der Ausstellungsort ist kein neutraler, perfekt ausgeleuchteter Museumsraum. Vielmehr vermittelt die Halle als Relikt der Hochphase der Industrialisierung eine nahezu sakrale Atmosphäre. In ihrem derzeitigen Zustand ist sie eine jener Stätten im Ruhrgebiet, an der die Vergangenheit noch nicht abgeschlossen ist und die Zukunft noch nicht begonnen hat.

,,here we change" begleitet die Ausstellung in der Maschinenhalle Zweckel mit einer Folge von dialogisch angelegten Doppelpräsentationen weiterer Arbeiten der beteiligten Künstlerinnen und Künstler in der Städtische Galerie im Rathauspark.

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Beiträgen von Katja Bromberg, Manfred Schneckenburger, Raimund Stecker und Dirk Steimann.

Die ausgewählten Künstler und Künstlerinnen setzen sich in ihrer Arbeit mit dem architektonischen und historischen Potential der Halle auseinander. Sie reagieren dabei aus unterschiedlichen Positionen heraus auf die Besonderheiten des Ortes. Dabei entsteht jeweils ein dialogisches Kraftfeld zwischen der Kunst und der Maschinenhalle, das über den Ursprungsort hinausweist.

Mathias Langer (1961, Südlohn, lebt in Heiligenhaus) nutzt computertechnisch geformte Drähte, die gewöhnlich im Autokarosseriebau Verwendung finden. Diese Drähte dienen ihm als Grundelemente seiner Plastiken. Langer fügt sie zu käfigartigen Gebilden, die er später in ein Kunststoffbad taucht und mit einer gefärbten Haut überzieht. Die Objekte könnten Turbine und Naturgegenstand sein. Sie stellen eine Beziehung zu den in der Maschinenhalle zurückgebliebenen, einst hochmodernen Umformern her. In der Verwendung heuteaktueller Industriematerialien und Produktionsmöglichkeiten, unterstreichen Lanfers Stücke zugleich die geschichtliche Differenz zum vorhandenen Raum.

Andreas Bee (1959, Bad Lippspringe, lebt in Düsseldorf) entwickelte für die Maschinenhalle Zweckel eine autonome Plastik aus Chinapapier. Sein hoch aufgewölktes ,,Iglu" gleicht einem funktionslosen Raum der Leere und Meditation, der eine monumentale Papierschale wie einen Brunnen der Erkenntnis birgt. Inmitten der von Schwerindustrie gezeichneten Halle, ist ein Raum voller Reinheit und Leichtigkeit entstanden, dessen makellose Unantastbarkeit im Kontrast zur Größe und Standfestigkeit des Standortes steht.

Werner Haypeter (1955, Helmstadt, lebt in Bonn) hat auf der Empore einen transparenten Industrieboden gießen lassen. Ein fast zweihundert Quadratmeter großes Feld ist entstanden, das die Hallenarchitektur spiegelnd reflektiert. Betritt man die Fläche mit Filzlatschen, wie sie zur Besichtigung von Schlössern verwendet werden, wird man nicht nur Teil der Arbeit, einem eröffnet sich der Blick auf den historischen Kachelfussboden, den man neu wahrnimmt. So ist eine Art archäologisches Feld entstanden, das auf die Vergangenheit verweist und dabei höchst ästhetisch Gegenwart reflektiert.

Wolfgang Nestler (1943, Gershausen, lebt in Monschau) verteilte in der östlichen Hallenhälfte fünfzehn Leuchtkästen am Boden. In der Grundform eines Kinderdrachens ist die Arbeit nach Norden orientiert. Über ein elektronisches System erhalten die Leuchtkästen Impulse von einem Windmesser auf dem Hallendach. Dreht sich der Wind oder frischt er auf, so werden zahlenmäßig mehr oder weniger Leuchtkästen aktiviert. Atmosphärische Druckunterschiede werden in dieser stillen Konstellation in den Innenraum übertragen und optisch erfahrbar.

Doris Halfmann (1960, Essen, lebt in Heiligenhaus) thematisiert in einer raumgreifenden Installation zeitliche Prozesse und geschichtliche Bezüge. Sie lässt Kerzen in einem Wasserbecken abbrennen bis Feuer und Wasser sich treffen. Ein steter Tropfen wird hörbar von der Hallendecke fallen und unterstreicht so das Verrinnen der Zeit wie ein Memento Mori, in einem Stilleben, das auf das Vergehen alles Materiellen hinweist. Eine zweite Installation im Außenbereich, zeichnet am Treppenabsatz den Grundriss einer Siedlung plastisch nach.Dieser Grundriss wurde mit Samen gefüllt und wird während der Ausstellung bis zur Unendlichkeit überwuchert.

Paul Schwer (1951, Homberg, Schwarzwald, lebt in Düsseldorf) reagiert als Maler auf die Maschinenhalle. Bildträger und Farbe bewegen sich in zwei großen, gespannten Segeln sowie auf Glasplatten in den Raum und verändern ihn mit flüchtig gewordener Farbe, die künstlich erzeugt, an Naturerscheinungen erinnert.

Thomas Klein (1961, Bochum, lebt in Schwerte) stapelt aus Zeitungen ein Haus, das man betreten kann. Das labyrinthische Innere lässt einen Raummit Stuhl und Tisch frei. Von oben wird es durch eine Lampe erleuchtet. Ein kafkaesk bedrückender Raum im Raum voll mechanisch produzierter Information ist im entstehen. Am Übergang zur elektronisch vermittelten Information, macht er das Bisherige noch einmal materiell erfahrbar.

Wilhelm Mundt (1959, Grevenbroich, lebt in Rommerskirchen) hat einen ,,Trashstone" nach Gladbeck gebracht. Er enthält anorganischen Abfallaus dem Atelier, aber auch aus dem Leben des Künstlers. Ausgediente Gegenstände werden verpackt, eingewickelt und mit Kunststoff plastisch umhüllt. Mehrere Schichten gefärbten Kunstharzes legen sich über die Vergangenheit einer alltäglichen, von industriellen Massenproduktenbestimmten Gegenwart Die ,,Trashstones" werden poliert und abgerieben, so daß am Ende unterschiedliche Farbschichten sichtbar werden. Im Ergebnis wird Schönheit statt Vergänglichkeit sichtbar, Ausgedientes in einen ästhetischen Prozess zurückgeführt.

Thomas Bernstein (1957, Mündersbach, Westerwald, lebt in Düsseldorf) bringt hautfarbene Silikonabformungen von aufblasbaren Gegenständen ein.Die von ihm ausgewählten Ballonformen umgibt der Kunstler im Atelier mit einem Silikonmantel. Sobald das Material getrocknet ist, dreht er die Form auf Links. So entstehen organoide Gebilde, die an manipulierte Monsterwesen erinnern. In der Maschinenhalle hat Bernstein ,,Köpfe" wie Schachfiguren auf dem großen Umformer verteilt. Ausgedientes einer überkommenen Vergangenheit wird mit den Mitteln und Ängsten unserer Zeit belebt.

Bettina Pousttchi (1971, Mainz, lebt in Köln) beschäftigt sich als Fotografin mit dem Inneren des Körpers. Sie hat medizinische Aufnahmen des mit Kontrastmitteln gefärbten Blutserums digital bearbeitet und kommt dabei zu bildlichen Ergebnissen, die Innenwelten in Landschaften wie aus Eis oder aus Blütenformen kristallisieren. Sie verweisen auf ein Zeitalter, das nicht mehr von mechanischen, sondern von chemischen Prozessen abhängt.

Veranstalter: Städtische Galerie Gladbeck Kuratorin: Katja Blomberg

Here we go wird unterstützt von der Stiftung Industriedenkmalpflege und Geschichtskultur, der Stiftung Kunst und Kultur des Landes NRW, dem Ministerium für Arbeit, Soziales und Stadtentwicklung, Kultur und Sport des Landes NRW, der Phenolchemie, der Stadtsparkasse Gladbeck und der Stadt Gladbeck sowie zahlreichen privaten Förderern.

Dirk Steimann

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here we go
Skulpturenprojekt Gladbeck in der Maschinenhalle Zweckel

und

here we change
Städtische Galerie im Rathauspark, Gladbeck

Künstler:
Andreas Bee, Thomas Bernstein, Doris Halfmann, Werner Haypeter, Thomas Klegin, Mathias Lanfer, Wilhelm Mundt, Wolfgang Nestler, Bettina Pousttchi, Paul Schwer

Kuratoren:
Katja Blomberg