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TANG-DYNASTIE, VORSPIEL, VIER TAGESZEITEN

Alltägliche Beobachtungen liegen den so betitelten grafischen Serien zugrunde. Herbert Eugen Wiegand wendet den Blick "nach unten", orientiert sich in seiner künstlerischen Arbeit an den Dingen des Alltags, liest auf, was nicht von Bedeutung zu sein scheint, liest es anders und macht es neu lesbar. Zumeist im Hochdruckverfahren zu Papier gebracht, verwandelt sich das Aufgefundene, tritt grafisch von allen Seiten in Erscheinung - und wird zuweilen wieder zum mehrdimensionalen Objekt. Ein unscheinbares Balkenstück durchläuft so einen Weg von der Grafik, zum Bausatz, zur Skulptur und wieder zurück. Der Defekt einer digitalen Uhr wird zum Kurzfilm über Zeit und Raum. Das Bewegungsmuster eines Fischschwarms wird zu einem choreographischen Triptychon. Die Fischleiber verdichten sich zu einem dynamischen Gebilde, um im nächsten Schritt wieder auseinander zu sprengen. Lichtes und Dichtes wird zur Grafik – Demonstration von Beweglichkeit und Wandelbarkeit unserer Wahrnehmungswelt. Und auf einmal lösen sich ein oder zwei Einzelne aus der Menge. Aus vereinzelten Fischleibern entsteht eine Art Schrift. Wie für einen Augenblick stillstehend, lösen sie sich als Lebenszeichen aus dem Ganzen - und könnten doch gleich wieder neu in Bewegung geraten, mit dem Schwarm verschmelzen, wieder unentzifferbar werden. In Herbert Eugen Wiegands grafischen Serien scheint sich Lebendiges für Momente lesbar machen zu wollen. Und man ahnt, dass die Zeichen morgen wieder anders stehen könnten.

Es ist, als ob sich Herbert Eugen Wiegand von den lebendigen und den scheinbar leblosen Dingen des Alltags, von Bewegungen und dynamischen Prozessen unter Druck setzen ließe. Im Druckprozess werden sie wiedergefunden, wiederholt. Der Blick auf die Welt, die überraschende Stärke eines ersten, flüchtigen Eindrucks, suchen sich ihre künstlerischen Verfahren. Oft ist der Linolschnitt mit seiner Direktheit und Kürze des Druckprozesses den Dingen und der Weise, wie Herbert Eugen Wiegand wahrnimmt, am entsprechendsten. In der Ausstellung "30 Jahre Druck" sind eine Reihe von Serien zu sehen, die seit den 80er Jahren entstanden sind. Wiegands Drucke zeigen sich als rauhe Poesie, in der Sinnliches nüchtern und Nüchternes sinnlich wird. Sie sind gleichzeitig Untersuchungsreihe und Choreographie – ein scheinbar beiläufiges Zusammenspiel zwischen Druckerhand, Wahrnehmung und Gegenstand. Einzigartig, wie hier mit Sensibilität, Intelligenz und handwerklichem Können gespielt, gebaut, gedacht wird - eine Kunst, die uns wieder und wieder zum Hinsehen auffordert.

Herbert Eugen Wiegand druckt seine Serien eigenhändig. Wie könnte es anders sein, denn das Entstehen der Arbeiten ist genuin mit dem Einsatz des Menschen verbunden. Dies spiegelt sich in Wiegands Werk wider: Wir sind mit den Dingen in Bewegung.

Der Bildhauer und Grafiker Herbert Eugen Wiegand lebt in Berlin und auf der Insel Harøy in Norwegen. Seit 2006 lehrt er Druckgrafik an der Kunsthochschule Berlin Weißensee. Seit 2011 hat er eine Stelle als Dozent für Druckgrafik an der Kunsthochschule Bergen / Norwegen inne.

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Herbert Eugen Wiegand
30 Jahre Druck