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Die „Faszination für das Aufspüren und Dokumentieren grundsätzlicher biologischer Strukturen“ ist, laut dieser Äußerung des Künstlers, der Ausgangspunkt für die Arbeiten des Schweden Henrik Håkansson (* 1968). Seine nicht selten raumgreifenden Installationen gleichen biologischen Versuchsanordnungen bzw. Aufbauten für naturwissenschaftliche Experimente. Mit seinen Werken schafft der Künstler oftmals temporäre Lebensräume für Pflanzen und/oder Insekten, die als eine Art artifizielle Mini-Ökosysteme komplexe selbständige und geschlossene Kreisläufe darstellen. Das Einbeziehen von technischem Equipment in Form von Monitor-Überwachungssystemen ermöglicht es, einzelne Abläufe des Mikroorganismus im Ausstellungsraum überdimensional sichtbar und dadurch nachvollziehbar zu machen. Sie erlauben dem Betrachter die authentische Erfahrung von Natur, wenngleich auch als einem künstlich inszenierten und medial vermittelten Konstrukt. Håkanssons Projekte reflektieren auf komplexe Weise die elementare Verbindung und Abhängigkeit des Menschen zur Natur. Darüber hinaus werden aber auch allgemeine Fragen nach der Entfremdung unserer in erster Linie kulturell geprägten Zivilisation von biologischen und ökologischen Prozessen bzw. die Tatsache, daß die Wahrnehmung von Natur immer einer von kulturellen Faktoren beeinflußten Prägung unterliegt, ins Bewußtsein gerufen.

Die Ausstellung „Sweet Leaf“ (der Titel bezieht sich auf ein Lied der Gruppe Black Sabbath wo er als ein Synonym für das Rauschmittel Marihuana gebraucht wird) versammelt im Erdgeschoß der Galerie mehrere neue Arbeiten, die der Künstler in den letzten Monaten entwickelt hat. Sie kreisen alle um das Thema der Verführung und Verlockung, des Reizes und der Anziehung. Håkansson visualisiert und thematisiert dieses Motiv anhand von einfachen Geruchsfallen, wie sie üblicherweise für das Fangen oder die Beobachtung von Insekten zum Einsatz kommen. In den einzelnen Räumen sind verschiedene Filme zu sehen, die auf unterschiedlichen Methoden des Anlockens von Bienen, Fliegen und Wespen beruhen. Aufgrund der Projektion der Filme in Zeitlupe entstehen unterschiedliche Brechungen der Wahrnehmung. Durch die Größe des projizierten Bildes ergibt sich für den Betrachter einerseits eine Maßstabsverschiebung, daneben entsteht durch die Verlangsamung der Bewegungen eine Irritation des Zeitempfindens. Gleichzeitig wird auch der Ton verlangsamt, wodurch sich eine ungewohnte akustische Rhythmisierung der Ausstellungsräume ergibt. Neben den Filmprojektionen werden durch verschiedene Objektanordnungen aber auch die jeweiligen Verfahrensweisen und Methoden ihrer Produktion thematisiert. In einigen Arbeiten sind neben den vorproduzierten und geschnittenen Filmen auch die entsprechenden Fallen in Funktion zu sehen. Mit kleinen Überwachungskameras wird das Geschehen in und um diese aufgenommen und in Echtzeit live in den Ausstellungsraum übertragen. Durch die Parallelität von Aufzeichnung und Live-Übertragung ergibt sich ein spannendes Nebeneinander der Gleichzeitigkeit zweier unterschiedlicher Realitäten.

Katalog: Winkelmann, Jan (Hg.): Henrik Håkanson: Sweat Leaf. Leipzig 2000

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Henrik Håkansson
SWEET LEAF
Kurator: Jan Winkelmann