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Die Ausstellung „Heidi Bucher: Mother of Pearl“ im migros museum für gegenwartskunst präsentiert die erste Retrospektive der verstorbenen Künstlerin. Heidi Bucher (1926-1993) wurde in den 1970er und 1980er Jahren bekannt für ihre Latex-Häutungen von Raumarchitekturen. Nebst den Häutungen, welche den Kern der Ausstellung bilden, werden Zeichnungen, Skulpturen, eine Video-Performance und der Film „Räume sind Hüllen, sind Häute“ von George Reinhart präsentiert.

Ich sehe die Villa zum ersten Mal von der Terrasse aus. Nun gehe ich in das Haus hinein. Ich schaue die Wände an, die Türen, die Fenster, die Decken und die Böden. Ich berühre sie. Ich betrachte sie lange. Ich muss Allem näher kommen. Ich komme, wir kommen noch zur rechten Zeit, mit Gaze. Wir bekleben die Räume und lauschen. Wir betrachten die Oberfläche und beschichten sie. Wir hüllen und enthüllen. Das Gelebte, das Vergangene verfängt sich in dem Tuch und bleibt hängen. Wir lösen langsam die Kautschukschichten, die Haut, und ziehen das Gestern ins Heute. Heidi Bucher (1926-1993)

Heidi Bucher wurde 1926 in Winterthur (Schweiz) geboren und wuchs dort in einem gutbürgerlichen Haus der Jahrhundertwende auf. Nach der Schule in Teufen, besuchte sie von 1942 bis 1946 die Kunstgewerbeschule in Zürich und lernte unter anderem bei Johannes Itten und Max Bill. Nach der Ausbildung beschäftigte sich Bucher hauptsächlich mit linearen Zeichnungen und Collagen, und arbeitete für den Zürcher „Tages-Anzeiger“ als Illustratorin. In den 1950er Jahren bestreitet sie ihre Ausstellungen mit Zeichnungen und Seiden-Collagen.

Im Verlauf der 1960er Jahre und mit dem Zusammenbruch der traditionellen Definitionen von „Malerei“ und „Skulptur“, experimentierten viele Künstler wie zum Beispiel Richard Serra, Louise Bourgeois oder Bruce Nauman mit neuen Werkstoffen auf der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten - darunter auch mit Naturlatex. Wie schon für Eva Hesse (1936-1970) spielte auch für Heidi Bucher Latex in ihrem Werkkomplex eine essentielle Rolle. Von 1969 bis 1972 zieht Heidi Bucher für ein Jahr nach Kanada und anschliessend an die Westküste der USA. In Los Angeles entstehen, in Zusammenarbeit mit ihrem damaligen Mann Carl Bucher, die grossformatigen Schaumstoffskulpturen mit dem Titel Body Shells (1972). Die tragbaren Skulpturen schliessen das menschliche Subjekt von seiner Umgebung ab, bieten einen Rückzug ins Private, und erinnern durch ihre verfremdende Form an die futuristische Mode der damaligen Zeit. Die hybridartigen Kleiderskulpturen wurden u. a. auf dem Cover von Harper’s Bazaar abgebildet. Zurück in Zürich beginnt Heidi Bucher 1974 Kleider, Decken, Kissen und weitere Gegenstände mit „Gummimilch“ einzubalsamieren und zu einfachen Assemblagen zu installieren. Die Objekte stammten aus dem privaten Bereich. Es beginnt eine „Spurensicherung“ der eigenen Existenz, welche auch bei anderen Künstlern jener Zeit zu beobachten ist. In Form einer Chronistin, beginnt Bucher ihr Leben aufzuarbeiten. So stellen die „Häutungen“, die sie ebenfalls ab 1974 vornimmt, eine direkte Brücke zu ihren „Kleider-Reliefs“ dar. Von 1974 bis 1977 lebt und arbeitet Bucher in einem ehemaligen Metzgereigeschäft. Ihr Atelier befindet sich in dessen geräumigem Untergeschoss - sie nennt dieses „Borg“. In diesem finden die ersten Raumhäutungen statt. Mit dem Herrenzimmer (1977/1978) kehrt Bucher ins Elternhaus, eine Villa aus dem 19. Jahrhundert, in Winterthur zurück. Mit dickflüssigem Latex bestreicht sie die Holztafelwände und Parkettböden. Nachdem sich dieses verfestigt hat, reisst sie die Textil-Latexhäute ab und reibt diese mit einem Perlmutterpigment ein. Durch das Einreiben erhalten die Häute sowohl ein irisierendes und schillerndes Äusseres als auch ein neues „Innenleben“. Eine weitere Aktion nimmt Heidi Bucher 1991 in Angriff - die „Häutung“ der Villa Bleuler in Zürich. Heute beherbergt die Villa, die im 19. Jahrhundert im italienischen Neu-Renaissance-Stil errichtet wurde, das Schweizerische Institut für Kunstwissenschaft. Fasziniert von den Wänden, Böden, Decken, Ofenklappen und anderen Dingen, häutet sie unter Mitwirkung des Instituts das ganze Haus. 1993 stirbt Heidi Bucher an den Folgen ihrer Krebserkrankung in Brunnen (Schweiz).

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