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Heidi Bucher Metamorphosen I
08.04.2022 – 07.08.2022
Das Kunstmuseum Bern präsentiert die bisher umfassendste Retrospektive zu Heidi Bucher (1926–1993) in der Schweiz. Die Ausstellung widmet sich dem vielseitigen Gesamtwerk der bahnbrechenden Schweizer Künstlerin und zeigt Arbeiten aus allen ihren Schaffensphasen und Werkgruppen. Die Schweizer Künstlerin Heidi Bucher (1926–1993) zelebrierte in ihrem Schaffen die Metamorphosen des Lebens, die Ablösung vom Alten und die Auferstehung in einer neuen Haut. Die bisher grösste Retrospektive, die vom 8. April bis 7. August 2022 im Kunstmuseum Bern zu sehen ist, widmet sich dem facettenreichen Gesamtwerk Buchers und zeigt Arbeiten aus allen Schaffensphasen. Darunter frühe und weitgehend unbekannte Designstudien aus ihrer Studienzeit, die Bodyshells genannten geschlechterlosen Kör- perskulpturen aus ihrer experimentellen Zeit in New York und Los Angeles in den 1960er- und 1970er-Jahren sowie architektonische und menschliche Latex-«Häutungen» aus ihrem Hauptwerk.
Die Ausstellung ist in zehn Räume gegliedert, die verschiedenen Werkgrup- pen gewidmet sind. Rund 100 Werke illustrieren die künstlerische Entwick- lung Heidi Buchers und ihre wiederkehrenden Themen und Motive. Der in der Ausstellung gezeigte Film Räume sind Hüllen, sind Häute (1981), der Heidi Bucher bei den Häutungen im Ahnenhaus ihrer Grosseltern zeigt, veran- schaulicht zudem die Prozesshaftigkeit von Buchers Schaffen und gibt einen einzigartigen Einblick in die Reflexionen der Künstlerin.
Anfänge im Textildesign
Wie viele Künstlerinnen ihrer Zeit wandte sich Heidi Bucher zu Beginn ihrer
Karriere zunächst nicht den Schönen, sondern den Angewandten Künsten zu.
Sie studierte Mode- und Textildesign bei Johannes Itten, Max Bill und Elsi
Giauque in Zürich, wo sie Werke auf Papier schuf und mit Seide und Tüll ex-
perimentierte. In Buchers Skizzen und Heften der 1940er-Jahre haben sich
sowohl Modeskizzen, Stoffproben wie auch Farbübungen in Itten’scher Ma-
nier erhalten. Auffallend ist bei vielen Beispielen die sorgfältige Behandlung von Stofffalten, Fältelungen und Plissees. Es scheint, als könne man in den
Nähten, Pressungen und Raffungen ihrer Kleiderentwürfe bereits das spätere
Interesse der Künstlerin an architektonischen Details wie Parkettmustern,
Täfelungen oder Portalen erahnen. Bereits in diesen Gebilden ist ihre spätere
Hinwendung zum Skulpturalen angelegt.
Der Körper als Kunst-Ort
In den frühen 1970er-Jahren zog Heidi Bucher mit ihrem Ehemann Carl Bu-
cher und den beiden Söhnen Indigo und Mayo zuerst nach Toronto und an-
schliessend nach Kalifornien, wo sie in Berührung mit der feministischen
Kunst amerikanischer Prägung kam. Sie besuchte unter anderem die von
Judy Chicago und Miriam Shapiro organisierte Gruppenausstellung
Woman-house in Hollywood, die sich erstmals mit damals tabuisierten Themen wie Mutterschaft, Menstruation, weibliche Sexualität und häusliche Gewalt be-
fasste, und nahm an Veranstaltungen des Feminist Art Program (FAP) am
California Institute of the Arts teil. Es entstanden die geschlechterlosen trag-
baren Bodyshells, mit denen Bucher einen Skulpturbegriff zwischen Körper,
Objekt, Raum und Performativität entwickelte. Mit den Vorgängern der
Bodyshells, den Landings to Wear, die sie in Zusammenarbeit mit Carl Bucher
formte, schaffte es Heidi Bucher gar auf das Cover der ersten deutschsprachigen Ausgabe von Harpers Bazaar und übersprang damit mühelos den Graben zwischen Kunst, Mode und Popkultur.
Emanzipation und Befreiung: Die Latex-«Häutungen»
Nach ihrer Rückkehr aus den USA und der Trennung von Carl Bucher begann
Heidi Bucher ab 1973, Objekte und Räume mithilfe von Latex auf Baumwoll-
streifen zu «häuten». Damit setzte ihr Hauptwerk ein. Ihr Leitmotiv wurde die
Inbesitznahme und Verwandlung von Räumen und Körpern. 1978 nahm sie
mit dem Abzug ihres Studios «Borg» (abgeleitet von Ge-borg-enheit), das sich
im Kühlraum einer ehemaligen Metzgerei befand, die erste grosse Raumhäu-
tung vor. Sie fixierte Gaze mit Fischkleister an den Wänden, bestrich diese
mit flüssigem Latex und zog die getrockneten Schichten unter grösster kör-
perlicher Anstrengung wieder ab.
Die Schauplätze, die Heidi Bucher für ihre weiteren Häutungen wählte, be- sassen vielfach private und öffentliche Bedeutung zugleich. So häutete sie in ihrem Elternhaus das Herrenzimmer, das ehemals hauptsächlich den männ- lichen Familienmitgliedern vorbehalten gewesen war, und löste damit sinn- bildlich die patriarchale Familienstruktur ab. Für Der Schlüpfakt der Parkettlibelle häutete sie im Rahmen der ersten und einzigen Triennale La femme et l’art in Le Landeron fünf Performerinnen, die zuvor mit ihr eine Raumhäutung im ehemaligen Schlossgefängnis durchgeführt hatten. Auch auf der Insel Lanzarote, wo sie sich ab den 1980er-Jahren immer wieder für längere Zeit aufhielt, nahm Bucher zahlreiche Raumhäutungen vor. Sie verstand das Haus in Analogie zum menschlichen Körper: Die Architektur ist die Hülle, die ihn wie eine Haut umgibt und schützt. In der Weiterführung dieser Analogie sind die Fenster die Augen, die den Blick auf die Welt freigeben und die Tür ist der Mund, der das Antlitz des Hauses vervollständigt.
Eine Visionärin ihrer Zeit voraus
Mit ihren Arbeiten lenkte Bucher den Blick auf den Körper im Raum, ergrün-
dete Zwänge und Befreiungsprozesse und thematisierte gesellschaftskritisch
schmerzvolle Erinnerungen und problematische Räume. Mit ihren Häutungen
entlarvte sie private Machtstrukturen und öffnete den Raum in einem nächs-
ten Schritt für Veränderung. Sie befasste sich in ihrem Werk mit Themen, die
eine universale Gültigkeit besitzen: das Machtgefälle zwischen den Ge-
schlechtern, die Befreiung von sozialen Zwängen sowie der Versuch, die ei-
gene Vergangenheit abzuschütteln und sich bis ins Alter neu zu erfinden. Im
Sinne ihres Totemtiers, der Libelle, wird die Wandelbarkeit bei Heidi Bucher
so zur Selbstermächtigung, die vom Glauben an sich selbst zeugt – eine Welt-
anschauung, die aktueller nicht sein könnte und deshalb umso mehr ihre
späte Würdigung verdient.
Kooperation
Eine Ausstellung vom Haus der Kunst, München, in Kooperation mit dem
Kunstmuseum Bern und dem Muzeum Susch.
Partnerausstellung
In Ergänzung zur Ausstellung im Kunstmuseum Bern zeigt das Muzeum
Susch vom 16.7.–4.12.2022 die Ausstellung
Heidi Bucher. Metamorphosen II.
Link: parallele Ausstellung Muzeum Susch: Ausstellung Metamorphosen II
Mit der Unterstützung von
Kanton Bern, Swisslos/Kultur Kanton Bern, Stiftung GegenwArt, Ernst Göh-
ner Stiftung, die Mobiliar und Stadt Winterthur