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"Wie machen wir klar, dass Kunst nicht nur ein Nebenprodukt in der Gesellschaft ist? Denn meiner Auffassung nach gehört Kunst, also das Kultivieren aller, ganz nach oben." (2005)

"Ein Künstler dient nicht als Beispiel, da warne ich vor." (Künstlergespräch 2002)

Jörg Immendorff gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Künstler in Deutschland. 1945 in Bleckede an der Elbe geboren, betätigt er sich schon früh künstlerisch und stellt bereits vor Studienbeginn eigene Arbeiten aus. Ab 1963 studiert er Bühnenkunst bei Theo Otto, wechselt nach drei Semestern an die staatliche Kunstakademie Düsseldorf und besucht die Klasse von Josef Beuys. Dort führt er zahlreiche Kunstaktionen und politische Kundgebungen durch.

Das Stadtmuseum Hattingen würdigt mit einer Retrospektive seines graphischen Werkes die Bedeutung des Düsseldorfers, der 2003 wegen eines Sex- und Drogenskandals in die Schlagzeilen geraten ist. Ob politisch oder gesellschaftlich engagiert, ob Lebemann oder Künstler mit einer besonderen Neigung zur Selbstironie: die für die Zusammenschau in Hattingen ausgewählten Arbeiten spiegeln die unterschiedlichen Themenfelder des Künstlers. Zu sehen sind Auszüge aus den wichtigsten Schaffenszyklen von den 60er Jahren bis zur Gegenwart, aber auch komplette Serien, angefertigt in unterschiedlichen Drucktechniken wie Radierung, Aquatinta, Linolschnitt, auch übermalt, Siebdruck.

Immendorff, der an der tödlichen Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralskelorse (ALS) leidet, ist zwar noch jeden Tag im Atelier, aber selbst malen kann er nicht mehr, er delegiert. Zu den aktuellen Arbeiten zählen dann auch drei mit Sprühlack und Ölfarbe übermalte Fotografien des Künstlers, in denen er den "Kampf der Zeit" und die Auseinandersetzung mit der fortschreitenden Krankheit thematisiert.

Die Ausstellung im Stadtmuseum setzt Akzente mit den bekannten und wichtigen Zyklen "Café Deutschland", dem "Café de Flore" und "The Rake's Progess", nicht zu vergessen die Lidl-Aktion. Das Publikum begegnet den bekannten, aber auch den unbekannten Seiten des Künstlers.

Zu den Serien: LIDL: Ein Kunstwort wird zum Leitmotiv! Die Lidl-Arbeiten entstehen in der künstlerischen Frühphase, als politisches Engagement und soziale Aufgabe des Künstlers auch für Immendorff im Vordergrund stehen. Die in dieser Zeit entstandenen Arbeiten konzentrieren sich auf ein einziges Motiv und Immendorff verzichtet bewusst auf jegliches erzählerisches Beiwerk. Inspiriert und motiviert von seinem Vorbild und Lehrer Joseph Beuys setzt Immendorff immer wieder auf die Kraft der Kommunikation, dabei bilden Malerei, Sprache und Aktion eine richtungsweisende Einheit. Er errichtet u.a. die LIDL-Akademie, mit der er sich gegen die geistlose und unschöpferische deutsche Politik aufbegehrt "Wofür steht die Kunst? Was haben wir von ihr? Warum sind Künstler wichtig für die Gesellschaft?" Fragen, die von der damals 20-jährige Künstler immer wieder stellt.

Immendorff zählt zu den Künstler, die sich immer wieder selbst inszenieren. So taucht er selbst auch in der 1985 entstandenen Serie "Best artist after war" auf, in der er sich mit den bedeutenden Künstlerkollegen Georg Baselitz, Markus Lüppertz, Per Kirkeby und A.R. Penck auseinandersetzt. Als Parodie seiner selbst tritt er als "Maleraffe" in der gleichnamigen Arbeit auf.

Café Deutschland, 1977 - 1983: "Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist mir wichtig. Ich habe Respekt vor ihr." Erste Impulse zu der weltberühmten Serie "Café Deutschland" gehen von der Freundschaft zu seinem in Sachsen lebenden Künstlerkollegen A.R. Penck aus. In den Jahren 1977 bis 1983 entsteht ein umfassender Bilderzyklus, in dem sich Immendorff kritisch mit der deutschen Vergangenheit und Gegenwart sowie der Rolle von Kunst und Künstlern in der Gesellschaft auseinandersetzt. Manchmal schrill wie in einem Comic stellt Immendorff Personen, Dinge und Schauplätze in grellen Farben und in realistisch-expressiver Manier dar, seine künstlerische Interpretation, um Widersprüche und Brüche der deutsch-deutschen Geschichte zum Ausdruck zu bringen.

Rake's Progress: Nach der Serie Café Deutschland das wichtigste Werk im künstlerischen Ouvre, nicht wegen der inhaltlichen Stärke, für die Übertragung einer moralischen Erzählung aus dem 18. Jahrhundert in die Gegenwart, sondern für die damit erfolgte Interpretation des Hogarthschen Werkes als moderne, jederzeit übersetzbare Vorlage für die moderne gesellschaftliche Befindlichkeit. Immendorff bemächtigt sich des jungen Tom Rakewell, als er für die Inszenierung während der Salzburger Festspiele 1994 das Bühnenbild schafft. In den Werken inszeniert sich der Künstler selbst und schlüpft dabei in unterschiedliche Rollen: Rake, Künstler, Tänzer, Immendorff.

Pressetext

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Hattingen hat Immendorff
Jörg Immendorff - Das graphische Werk
Stadtmuseum Hattingen in Zusammenarbeit mit ART and Projects International, Düsseldorf