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Hans Scheib gehört zu jener fast ausgestorbenen Spezies von Künstlern, die auch bei wiederholtem Zusammentreffen mit dem Werk immer wieder in Erstaunen zu setzen und zugleich Freude am so noch nie Gesehenen und grandios Gestalteten hervorzurufen vermag. Mit unseren Ausstellungen an drei Orten wollen wir auf diese zum Teil radikale Unterschiedlichkeit seiner Arbeiten näher eingehen. In der Rathaushalle werden farbige Skulpturen aus dem Zeitraum von 1980 bis 2005 vorgestellt und im sich daran anschließenden Festsaal sind Plastiken aus den Jahren 1986 bis 2008. Erstaunlich ist, das es Scheib bei so konventionellen Materialien wie Holz und Bronze immer wieder gelang, zum „Erfinder, nicht (zum) Nachahmer“ zu werden. So wird bei seinen Skulpturen durch das Aufzeichnen mit dem breiten Pinsel auf das Holz und das Abschlagen mit Stechbeitel und Schnitzeisen im Wechsel mit der schnell arbeitenden Kettensäge eine Synthese von Farbe und Form erreicht.

Vor allem aber ist es seine geistige Beweglichkeit, die sich mit materieller Experimentierfreude ebenso paart wie mit dem Willen, neue und damit nicht abgesicherte Wege zu gehen, so dass als Folge davon jedes seiner Werke als Solitär bezeichnet werden kann. Letztlich scheint diese Arbeitsmethode auf die Unberechenbarkeit der Künstlerpersönlichkeit zurückzuführen sein, die sich keinen Vorgaben fügt und so auch frei vom Diktat des Stammes gestaltet, wenn erforderlich Elemente anfügt bzw. einsetzt. So greifen seine Figuren und Tiere, je nach dem wie es Scheib angemessen erscheint, in den Raum oder bleiben dem Stamm verhaftet. Aber auch wenn sie still stehen und in sich hinein zu horchen scheinen, ist ein Fixieren von Bewegung immer feststellbar, sei sie nun durch Gestik und Körpersprache oder seine expressive Farbigkeit hervorgerufen. Ob es nun unsere Angst oder Aggressivität und Trauer um das eigene Unvermögen sind, oder die Anerkennung unserer Unvollkommenheit und Schwäche, möglicherweise auch unserer Schamlosigkeit bzw. die Leiden am Erwachsenwerden - all das vermag Scheibs Gestaltungsvermögen ebenso zum Ausdruck zu bringen wie unsere Vitalität, Sinnlichkeit und Grazie oder die Lust am Leben.

Diesen existenziell zeitlosen Eigenschaften weiß er aber zugleich eine Verortung im Hier und Heute abzugewinnen, wobei seinen Gestaltfindungen nicht selten ein tragikomi-sches Moment, eine Prise ironischer Distanz innewohnt. Diese Charakterisierung seiner Skulpturen trifft auch auf seine Bronzen zu. Dennoch erzeugt das Material Metall im Vergleich mit dem Holz eine größere Distanz und Kühle gegenüber dem Betrachter. Diese wird zum Teil aber wieder durch eine malerisch bewegte Ober-fläche in Frage gestellt oder durch eine differenziert angelegte Patina bzw. durch das teilweise bemalen mit Ölfarbe zu einer polychromen Haut umgewandelt.

Einen eigenständigen Bereich bilden die Grafiken, wobei der Künstler die Kaltnadelradierung bevorzugt. Aber auch die Themen unterscheiden sich bis auf die Tierdarstellungen von denen seiner Plastiken und Skulpturen, was an den über 100 in der Rathaushalle ausgestellten Blättern aus den Jahren 1977 bis 2000 erkennbar wird. Neben relativ wenigen weiblichen Akten sind es vor allem Selbstbildnisse und Porträts von Politikern und Dichtern aus Gegenwart und Vergangenheit sowie Tierdarstellungen.

Doch ob es nun Einzelblätter oder Folgen sind und auch unabhängig davon ob ein literarischer Text den Ausgangspunkt für seine Arbeit bildet, Scheib illustriert nie vorgegebene Inhalte noch kommt es ihm auf optische Ähnlichkeit an. Besonders nachdrücklich werden die Besonderheiten seines Wollens und die Brillanz seines breitgefächerten Könnens an unser Auswahl von über 150 Blättern erkennbar, die in der Schönheit der Strichführung und Vielfalt der Gestaltung einmalig sind.

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Hans Scheib
(1949) Berlin. Grafik, Skulpturen, Plastik
Kurator: Brigitte Rieger-Jähner