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Der belgische Künstler Hans Op de Beeck (*1969, lebt in Brüssel) wurde bekannt durch seine raumgreifenden, begehbaren Installationen, die fiktive Orte in Lebensgröße entwerfen oder räumliche Situationen illusionieren. Eine der größten davon, »Location (7)«, 2011, die im Gegensatz zu sechs weiteren Arbeiten aus dieser Serie erstmals nicht den öffentlichen Raum ins Zentrum rückt, führt über eine Treppe in das Innere eines verlassenen Appartements. Von dort aus fällt der Blick auf einen nächtlichen Hinterhofgarten mit Teich und illuminiertem Springbrunnen. In einem Spiel mit der Illusion verwischt der Künstler die Grenzen von Realität und Repräsentation und lässt den Betrachter zum realen Akteur in einer fiktiven Welt werden. Die eigenartige Leere verwandelt die Szenerien in reale Bühnen unserer eigenen Assoziationen und Erinnerungen. Nichts passiert, aber alles scheint möglich.

Viele von Op de Beecks Arbeiten sind begehbare Erinnerungsbilder, die die Grenzen zwischen künstlerischer Setzung und subjektiver Projektion unscharf machen. Sie rufen vertraute Gefühle hervor, bleiben jedoch gleichzeitig unnahbar und fremd wie beispielsweise das nächtliche Ambiente eines schneebedeckten Gartens mit Karussell, das unter dem Titel »Merry-Go-Round (2)« 2005 im Kunstverein Hannover im Rahmen der Ausstellung »Night Sites« gezeigt wurde.

Neben monumentalen bühnenartigen Raumsituation und modellhaft verkleinerten Szenerien umfasst Hans Op de Beecks Werk ebenso Filme, Zeichnungen, Malerei und Skulpturen, die er fragmentartig zu einer komplexen Erzählung verbindet. Mit der Werkgruppe »Sea of Tranquillity« blickt er in die Zukunft und entwirft die Utopie eines gigantischen Luxusdampfers. Statt Fernweh und Glamour werden in »Sea of Tranquillity« melancholisch ambivalente Bilder skizziert, die den Glauben an eine unfehlbare Technologie in eine tragikomische Absurdität unserer postmodernen Existenz überführen. So zeigt der gleichnamige Film, in dem Op de Beeck auf jegliche Dialoge verzichtet, die perfekte Oberfläche einer gepflegten Gesellschaft, die sich all ihre Luxuswünsche erfüllt hat und sich dennoch in einer totalen Leere wiederfindet. Das fremdartige Wechselspiel aus Modell und Illusion, Realität und Imagination, das sämtliche Arbeiten von Op de Beeck durchzieht, erhält durch die versteinerte Anmutung von »Location (7)« oder »Vanitas (1)«, 2011, eine zusätzliche Brechung. In Anlehnung an die Grisailletechnik, die der Nachahmung von Steinplastiken in der Malerei diente, verknüpft Op de Beeck hier im Medium Skulptur verschiedene Zeit- und Repräsentationsebenen. Steht die räumliche Fiktion ganz in der Gegenwart, so verweist die verfremdende Steinimitation auf ferne Vergangenheit.

Die Mechanismen der Wahrnehmung thematisiert Op de Beeck auf spielerische Weise im Film »Staging Silence«, 2009, in dem flinke Hände aus Alltagsmaterialien Miniaturkulissen auf- und abbauen, sich aus Thermosflaschen funkelnde Wolkenkratzer formieren und in dem die perfekte cineastische Illusion unaufhörlich erzeugt und dekonstruiert wird.

Die Retrospektive im Kunstverein Hannover ist die erste Einzelausstellung Hans Op de Beecks in Deutschland und präsentiert neue Arbeiten sowie bestehende, bisher in Deutschland nicht gezeigte Installationen, Filme, Modelle und Zeichnungen.