Kunstsammlung Jena

Jena Kultur | Städtische Museen Jena, Stadtmuseum & Kunstsammlung Jena | Markt 7
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Vernissage: Freitag, 10. Dezember 2010, 20 Uhr

Der Kunsthändler und Sammler Heinz Berggruen bezeichnete den Maler, Grafiker und Bildhauer Hans Bellmer als den „am meisten unterschätzten Künstler des 20. Jahrhunderts“. Bellmers Werk und dessen Bedeutung in der modernen Kunst steht außer Frage und seine Arbeiten finden sich in einer Reihe mit anderen großen Künstlern der klassischen Moderne. Dennoch rankt sich um Hans Bellmer noch immer ein Geheimnis, in Deutschland mehr noch als in Frankreich, wo Hans Bellmer einen großen Teil seines Lebens verbrachte. Hans Bellmer wird 1902 in Kattowitz (Katowice/Pl) geboren und arbeitet nach der Schulzeit in der Stahl- und Kohleindustrie. Während dieser Zeit entstehen erste künstlerische Arbeiten, die er 1922 erstmals ausstellt. Im Jahr darauf schickt ihn sein Vater, den er als Tyrann der gesamten Familie und seiner liebevollen Mutter erlebt, zum Ingenieurstudium an die Technische Hoch­schule nach Berlin. Bellmer interssiert sich für Politik und Kunst, liest die Schriften von Karl Marx und pflegt Kontakte zu Künstlern der Dada-Bewegung, darunter George Grosz, John Heartfield und Rudolf Schlichter. 1924 bricht er das Studium ab, arbeitet als Buchdrucker und als Illustrator u. a. für den Malik-Verlag. Noch im selben Jahr reist Bellmer erstmals nach Paris und lernt George Seurat und Jules Pascin kennen. Wieder zurück in Berlin verdient er seinen Lebensunterhalt als Gebrauchsgrafiker und Illustrator. Nach seiner Hochzeit 1927 reist er gemeinsam mit seiner Frau Margarete in den folgenden Jahren zum Mittelmeer, nach Italien und Tune­sien. Als Absage an das faschistische Deutschland beschließt er 1933, jede dem Staat auch nur indirekt nützliche Arbeit einzustellen und beginnt mit der Konstruktion der „Puppe“. Von dieser Gliederpuppe, die Bellmer in Lebensgröße baut und zwischen 1934 und 1938 fotografiert, ging eine verstörende Botschaft aus. 1934 verlegt er im Selbstverlag das Büchlein „Die Puppe“. Sowohl in seinen Fotografien wie auch in Zeichnungen, Skulpturen oder den grafischen Arbeiten – im Mittelpunkt steht immer das erotisierende Bild eines weiblichen, oft auch geschundenen, Körpers. Bellmer werden Fetischismus, Voyeurismus, Sadomasochismus, Pädophilie und andere neurotische Störungen nachgesagt, während andere seine Arbeiten als Surrealismus und anarchistisch-erotische Inszenierungen bewerten und schätzen. Schließlich erscheint 1934 in der Zeitschrift Minotaure seine gefeierte Fotoserie „La poupée“, die er 1935/36 auch im Museum of Modern Art in New York in einer Surrealismus-Ausstellung zeigen kann. 1938, nach dem Tod seiner Frau, emigriert er nach Paris, schließt Freund­schaft mit Paul Eluard und Yves Tanguy und hält Kontakte zu Hans Arp, Andre Breton, Marcel Duchamp, Max Ernst und Man Ray. Nach Ausbruch des Krieges wird Bellmer (zusammen mit Max Ernst) im Lager Les Milles bei Aix-en-Provence interniert. Er legt die deutsche Staatsbürgerschaft ab und heiratet 1941 zum zweiten Mal. Seinen Lebensunterhalt erwirbt er mit Hilfe von Porträtmalerei. Die Zeichnung wird für Bellmer zum bevorzugten Medium, in dem er nach abstrahierenden Anfängen einen zunehmend eigenständigen figurativen Stil ausbildet. 1949 kehrt er nach Paris zurück und publiziert „Les jeux de la Poupée“ mit Texten von Paul Eluard. 1953 begegnet er in Berlin der an Schizophrenie und Depression leidenden Dich­terin Unica Zürn, mit der er fortan – teils sehr zurückgezogen – zusammen lebt und arbeitet. 1954 erscheint in Frankreich die „Geschichte der O“ mit einer Lithografie Bellmers auf der Titelseite. 1959 und 1964 wird Bellmer zur documenta II und documenta III in Kassel eingeladen. Die Kestner-Gesellschaft (Hannover) richtet ihm 1967 die erste Retrospektive aus. 1970 stürzt sich Unica Zürn aus einem Fenster der gemeinsamen Wohnung in Paris. 1971 hat Bellmer eine Retrospektive im Centre National d’Art Contemporain in Paris. Hans Bellmer stirbt 1975 vereinsamt in Paris. Die Ausstellung versammelt erstmals das gesamte fotografische Werk dieses außergewöhnlichen Künstlers und entsteht in Kooperation mit der Stiftung Moritzburg – Kunstmuseum des Landes Sachsen-Anhalt. Zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog.

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Hans Bellmer (1902-1975)
Das fotografische Werk