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Bilder, die erzählen aber nichts verraten Pictures that show but don’t tell

Um die Arbeit von Hannah Dougherty einzuordnen, bedarf es Vorstellungskraft und Fantasie. Es handelt sich weder um Surrealismus noch Pop-Art, und auch nicht um Post-Pop, wie oft angenommen wird. Mit dem Surrealismus teilen ihre Arbeiten den Hang, entgegengesetzte Realitäten miteinander zu verbinden – prosaische Tiere wie Hirsch oder Esel besitzen zweifelsohne keine Flügel, geschweige denn die Fähigkeit zu fliegen. Außerdem teilt der teilweise fast klassische ikonographische Inhalt von Doughertys Arbeiten nicht die Begeisterung für Konsumerismus, feiert nicht Gemeinplätze und Konsum, wie es bei Pop-Art der Fall ist und ebenso wenig ist er ein direkter, ironischer Kommentar zu einem spätkapitalistischen Konsumerismus, wie ihn die Post-Pop-Bewegung zu verbreiten sucht. Was Doughertys Arbeiten auf jeden Fall mit diesen drei Bewegungen bzw. Kunstrichtungen verbindet, ist die Liebe zur und die Freiheit der Collage, sei es durch die Wiederverwertung gefundenen Materials, gefundener Bilder oder Ideen, bzw. durch die Umpolung dieser Ressourcen, sodass völlig andere und frei interpretierbare Bedeutungen entstehen.

Dougherty hat einen einzigartigen Zugang zur Malerei als Collage. Die Faszination liegt allerdings nicht darin, dass sie das Reale in der Collage meint (die materielle und substantielle Realität von Etwas, das der Welt entnommen wurde), also das übliche Dreieck von Bezeichnendem, Bezeichnetem und Zeichen, sondern vielmehr darin, dass die Künstlerin losgelöste, aber dennoch undefinierte symbolische Assoziationen hervorruft. Doughertys Bildinhalte können natürlich nach wie vor bezeichnen (erzählen), aber sie verweigern uns die Möglichkeit einer unmittelbaren Aufklärung dessen, was das Bezeichnete sein soll (verraten). Es gibt eine Lücke zwischen dem, was den Betrachtern gezeigt wird und der Geschichte, die die Betrachter nun selbst konstruieren müssen. In einem bestimmten Sinn wird eine doppelte bildliche Erzählung präsentiert, eine Geschichte, die von der Künstlerin konstruiert wurde und der Realität entstammt (Quellen wie Bildbände über Vogelhäuser, Logos, uralte Motive etc.): das, was nachvollziehbar ist, wie die von Hand gezeichneten Elemente, und das, was neu erschaffen werden muss aufgrund der unterbrochenen Assoziationskette, zu der der Betrachter keinen direkten Zugang hat.

Dass Dougherty eine achronische Ikonographie einsetzt, obwohl sie über die Zitierungen in unzähligen Quellen und Epochen bescheid weiß, lässt ihre Arbeit, zumindest bis zu einem gewissen Grad, dem Post-Pop zuordnen. Und dennoch stellt sie Ideen auf eine sehr abstrusen Weise einander gegenüber, um absichtlich eine leichte Assimilation der Ikonographie zu verhindern, wodurch ihre Arbeit großteils satirisch wirkt. Ein Buch über die Geschichte der Kanarienvogelhaltung oder sogar die stilisierte Entwicklung und den Anthropozentrismus der Vogelhäuser dienen etwa bloß zur Erheiterung – Doughertys Arbeiten karikieren nämlich Bemühungen der Menschen, etwas zu entwickeln und zu verbessern, was Vögel ohne menschliche Hilfe Jahrtausende lang erfolgreich gemeistert haben, nämlich Fortpflanzung und Nestbau. Dennoch handelt es sich dabei weniger um Ironie (die eigentliche Bedeutung ist das Gegenteil des Gesagten), sondern vielmehr um Unterhaltung und Spaß, wodurch die pervertierte Realität unsere Zeit aufgezeigt wird. Viele der Ressourcen und Quellen, die Dougherty verwendet, dürfen nicht als ernst gemeint betrachtet werden. Egal ob die Künstlerin handgezeichnete, anonyme Bilder von Freunden, die Modell stehen, einsetzt oder gefundene Tiermotive, Kinderzeichnungen, polka-eske Luftballons, riesengroße Schrauben oder Handbücher über Eisenwaren nachzeichnet, übernimmt und vergrößert – letztendlich zeugt alles von ihrem Sinn für Humor. Ihre Arbeiten sind sozusagen eine Parodie auf die chaotische Welt der modernen Gedanken. Eine Welt, die dem Flohmarkt genauso viel verdankt wie der Enzyklopädie, den gefundenen und wiederverwerteten Überbleibseln genauso wie der rationalen Welt der zielgerichteten Bedeutungen.

Dougherty stellt all dies in einer vielschichtigen Art auf ihren manchmal (und manchmal nicht) bemalten Flächen dar, sie verwendet Gekauftes oder Gefundenes, behandelte oder unbehandelte Materialien gleichermaßen – all dies weist auf ein Streben nach visueller Ebnung hin. Doughertys Arbeit ist bewust sowohl absurd als auch witzig. So absurd wie ein Affe oder Hirsch (das Priarische und das Heroische, das Triebhafte und das Schöne) mit Adlerflügeln bereit zum Fliegen, oder so bizarr wie Hochzüchtung von roten Kanarienvögeln. Während Dougherty offensichtlich Spaß an einer verrückten Ikonographie und ihrer Wurzeln hat, wirkt ihre Arbeit aber auch anti-ikonographisch. Ikonographie setzt im Allgemeinen eine geordnete und symbolische Erklärung der Dinge der Welt voraus, Dougherty aber verdreht diese Eigenschaft, indem sie uns eine Welt zeigt, in der uns Bedeutungen in dem Moment entgleiten, in dem wir versuchen, diese zu begreifen.

© Mark Gisbourne, 2005

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